Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Sonntag, 27. März 2016

Die SCHMADTKEs in Ostpreußen

Ella Schmadtke 1918
Meine Großmutter Ella HAUPT, geb. SCHMADTKE (1895-1987) berichtete von einer Familienlegende: die Schmadtkes sollen aus Polen stammen, hätten dort früher zum Adel gehört und ein Urahn habe nach Preußen fliehen müssen aus Gründen, die nicht mehr eindeutig benannt werden konnten. In Rede standen unerlaubte Ehrenhändel, ein Duell, ein Streit mit Vertretern höherer Stände oder mit Vorgesetzten. Es klang je nach Stimmungslage recht melodramatisch. Ella sagte, ihr Onkel Richard Schmadtke (1878-1934) hätte noch alte Dokumente besessen, die die Geschichte hätte erhellen können. Richard Schmadtke, der Onkel, war 1921-1933 Lehrer und Amtsvorsteher in Reipen, Kreis Wehlau, wie ich später herausfand. Seine Nachkommen, die ich nach spannenden Ermittlungen entdeckte, wußten enttäuschenderweise nichts von alten Familiendokumenten.
Richard Schmadtke


Aber nun will ich der Reihe nach berichten, was die Forschungen zu den Schmadtkes ergeben haben:


Großmutter Ella wurde 1895 in Canditten im Kreis Pr. Eylau geboren. Hier habe ich schon einmal von ihr berichtet: http://genealogischenotizen.blogspot.de/2011/12/meine-gromutter-ella-haupt-geb.html 
 

Ferdinand Schmadtke

Ihr Vater Ferdinand stammte aus Grünwalde bei Landsberg, ebenso im Kreis Preußisch Eylau gelegen (die hier erwähnten Brüder Richard und Julius haben den gleichen Herkunftsort). Dort bewirtschafteten die Schmadtkes seit 1824 einen Hof von ca. 80 Morgen, der ihnen wahrscheinlich durch Einheirat zugefallen war. Daniel Schmadtke (1790-1862) hat den Grünwalder Zweig seinerzeit gegründet, der sich von dort zahlreich ausbreitete. Lange blieb unbekannt, woher Daniel Schmadtke kam.

Grünwalde war bis zur Preußischen Landreform ein gutsuntertäniges Bauerndorf. Die adelige Herrschaft über Grünwalde gehörte zum Gut Weskeim und dem dortigen Besitzer. Über Weskeim findet man hier weitergehende Information:
http://www.genealogie-tagebuch.de/?p=2500  und  http://www.genealogie-tagebuch.de/?p=7255

Das Recherchieren in den Kirchenbüchern von Landsberg nach den Wurzeln in Grünwalde war nicht einfach. Es gibt Kirchenbuchlücken, die zwar weit vor der Zeit liegen, als Daniel Schmadtke dort einheiratet, aber ich will ja auch mehr erfahren über die Familien, die dort schon früher ansässig waren und mit denen die Schmadtkes in verwandtschaftliche Beziehungen traten. Als erste fallen mir die vielen Borz oder Bortz auf, von denen es durch die Jahrhunderte immer schon mehrere Linien in Grünwalde gegeben hatte. Verwirrend sind die vielen zeitgleich auftretenden Namensträger Bortz mit identischen Vornamen, die von den Pfarrern zeitweise mit römischen Ziffern zur Unterscheidung versehen wurden (I, II, III). Aber welcher gehört wohin? Dann gibt es noch die Binder, Domnick, Kampowski, Kirstein oder Kerstein, Marienfeld oder Margenfeld, Plehn, Rautenberg, Schwarz in Grünwalde, um nur die wichtigsten dort ansässigen Familien zu nennen. Die Kirchenbücher sind zwar seit 1643 überliefert, aber ab ca. 1770 gelingt es kaum, weiter in die Vergangenheit vorzudringen, weil die Lücken von 1752-75 und von 1658-1713 ein zuverlässiges Anschließen an ältere Daten nahezu unmöglich machen. Wie auch immer, bis dahin tut sich ein komplexes Geflecht von vielfältigen Verwandtschaftsverhältnissen der Bewohner untereinander auf.

Aufgrund der Erbuntertänigkeit unterlag die Einwohnerschaft von Grünwalde gewissen Einschränkungen, die eine freiere Wahl von Ehepartnern aus anderen Orten erschwerte. Grundsätzlich hing eine Eheschließung immer auch vom Einverständnis der Gutsherrschaft ab. Wenn die zukünftigen Ehepartner aus dem gleichen Ort kamen, gab es in der Regel keine Probleme. Wenn tatsächlich eine Braut in einen anderen Gutsbezirk „weggeheiratet“ werden sollte, konnte der Gutsherr als Ersatz für die entgangene Arbeitskraft Geld verlangen. Man mußte sich oder jemand anderen „freikaufen“, was sich die wenigsten leisten konnten. Gleichfalls konnte man nicht einfach abwandern, z.B. in die nahe Stadt Landsberg und dort ein einträglicheres Gewerbe ausüben. Die Landsberger hätten einen „Freikaufbrief“ sehen wollen. Daher gab es so gut wie keine Eheschließungen von freien Bürgern oder Cöllmern und hörigen, unfreien Bauern. Man blieb deswegen in Grünwalde überwiegend unter sich und die komplizierten Verwandtschaftsbeziehungen bildeten für mich eine echte Herausforderung.
Die Preußische Landreform von 1807 brachte auch in die Verhältnisse von Grünwalde einschneidende Veränderungen - siehe auch
https://de.wikipedia.org/wiki/Preu%C3%9Fische_Reformen. Es dauerte jedoch Jahrzehnte, bis die Grundsätze der Landreform in Eigentumsübertragungen bei den einzelnen Bauern verwaltungstechnisch ankamen. Für Grünwalde fand ich ein Dokument im Archiv, in dem mit Wirkung zum 1. April 1830 folgenden Bauern ihre Grundstücke eigentümlich übergeben wurden:
Gottlieb Kampowski (4 Hufen), Daniel Borz, Michael Borz, Albrecht Borz jun., Friedrich Kampowski, Michael Kaffke, Christian Marienfeld, Albrecht Borz sen. (jeweils 2¾ Hufen), Gottfried Marienfeld (1 Hufe), Gottfried Kaffke (1 Hufe), Daniel Schmadtke , Gottfried Borz, Christian Domnick, Gottlieb Plehn, Catharina Elisabeth Sommer, Christoph Borz, Adolph Peitsch, Dorothea verehelichte Friedrich Wulff geborene Schwarz, Gottlieb Kampowski (jeweils 2¾ Hufen), Johann Sohn (1 Hufe), Christoph Schwarz (½ Hufe). *)
Im Jahre 1910 leben 442 Einwohner in Grünwalde. Unter den Dorfbewohnern: mein Urur-Großvater Rudolf Daniel Schmadtke (1836-1919), seine Ehefrau Caroline geb. Bortz (1841-1914), deren viertältester Sohn und Hoferbe Carl Schmadtke (1873-1946), seine Ehefrau Johanne geb. Weck (1877-1922) mit zwei Kindern – nach 1910 werden noch weitere 3 Kinder geboren.

Julius Otto Schmadtke,
1920er Jahre
Unter Bezugnahme auf meine veröffentlichten genealogischen Daten zu den bis dahin ermittelten Schmadtkes in Grünwalde meldete sich vor zehn Jahren Nadine Schmadtke bei mir. Wir stellten fest, wir sind miteinander verwandt: ich hatte eine Cousine dritten Grades gefunden. Ihr Urgroßvater Julius Otto Schmadtke (1871-1935) wanderte schon Ende des 19. Jh. nach Westen ins Ruhrgebiet ab. In ihrer Familie sind einige Dokumente zur Familienherkunft erhalten geblieben. Daraus ergab sich, dass Daniel Schmadtke 1790 in Christophsdorf als Sohn des Bauern George Schmadtke geboren wurde. Diese Information führte auf die Spur zu der bis dahin unklaren Herkunft der Grünwalder Schmadtkes.
Wo liegt Christophsdorf? Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich schon mehrfach auf den Namen Schmadtke und den Ort Christophsdorf, sah jedoch keine logische Verbindung dahin. Mein Bruder hat über die Ermittlungen in den Kirchenbüchern berichtet:
 
Zusammenfassend läßt sich sagen, dass um 1760 Martin und Christoph Schmadtke in Christophsdorf, im Kirchspiel Muldszen im nördlichen Kreis Gerdauen, lebten. Sie waren vermutlich Brüder, haben etwa zeitgleich Kinder bekommen. Unter diesen Kindern wird bei beiden Vätern im Abstand von wenigen Monaten in den Jahren 1760 und 1761 ein Sohn George getauft. Da die Heiratseinträge mit genauen Familienangaben im betreffenden Zeitraum fehlen, wissen wir nicht, welcher dieser beiden Georgs nun unser Urururur-Großvater ist, der dann später Anna Maria Lutski (Lutzke, Lutzky) heiratet und 1790 den Daniel als Sohn bekommt. Wie auch immer, es ist unbestreitbar, dass die beiden ältesten bekannten Namensträger Schmadtke in Christophsdorf eng miteinenander verwandt waren. Die gegenseitigen Patenbenennungen bei den Kindstaufen belegen das. Weiterhin läßt sich sagen, dass bisher alle heute bekannten Namensträger Schmadtke auf diese ältesten Schmadtkes in Christophsdorf zurückführbar zu sein scheinen, somit alle aus dem gleichen “Nest” stammen und miteinander verwandt sein müßten.
Christophsdorf war seit alter Zeit ebenfalls ein gutsuntertäniges Dorf in Adelsbesitz, ähnlich wie Grünwalde. In der zweiten Hälfte des 18. Jh. gehörte es zu den Ländereien im Besitz der Familie v. Fahrenheid**). Nach den Napoleonischen Kriegen mußte die Familie mehr als die Hälfte ihres riesigen Landbesitzes verkaufen, um die Kriegsschäden und Verluste aus Kriegsreparationen auszugleichen. Die aus einem Kaufmanns- u. Patriziergeschlecht hervorgegangene Adelsfamilie war jedoch immer noch vermögend genug, auf Schloß Beynuhnen die bis 1945 bedeutendste private Antiken- und Kunstsammlung in Preußen zusammenzutragen (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Uljanowskoje_(Kaliningrad)   und
http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/orte.php?bericht=614).
Die erbuntertänigen Bauern von Christophsdorf waren dem Gut Kl. Gnie scharwerkspflichtig.
Leider gibt es wohl kaum noch zugängliche Quellen, die Aufschluß über den Ursprung dieser ältesten bekannten SCHMADTKEs geben könnten. Die Kirchenbücher von Muldszen sind erst ab 1759 überliefert und reichen nicht weiter zurück. Das Dorf unterstand keiner staatlichen Verwaltung oder Jurisdiktion, sondern war bis zur Preußischen Landreform in privatem Adelsbesitz. Daher findet man im Geheimen Staatsarchiv Berlin (http://www.gsta.spk-berlin.de/) nicht wie üblich meterweise Akten. Die privaten Adelsarchive befanden sich in der Regel auf den Gütern und Schlössern und wurden 1945 größtenteils vernichtet. Ob es möglicherweise doch Berichte in königlichen Verwaltungsakten geben kann über die Ansetzung von neuen Bauern nach der Pestzeit der Jahre 1709-10, die auf vakanten, privat-adeligen Bauernstellen landeten, habe ich noch nicht überprüft.
Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass Martin und Christoph Schmadtke um 1760 ziemlich jung verheiratet waren. Wenn man ein Heiratsalter von 25-30 Jahren annimmt, dann dürften sie um 1730-35 geboren worden sein. Für den vermuteten Vater könnte man einen Geburtsjahrgang um etwa 1700 annehmen. Ein passender Zeitrahmen für eine Ansiedlung im Rahmen der “Repeublierung”. Ich halte es für denkbar, dass die Schmadtkes vielleicht um 1730 im Kirchspiel Muldszen ansässig geworden sein können. Es gab auffällig wenig Namensträger bis dahin, während sich die Familie in den folgenden Jahrzehnten stark ausbreitete. Um 1850 gab es allein von George Schmadtke in Christophsdorf (der andere, der nicht mein Urururur-Großvater ist) mindestens 10 verschiedene Schmadtke-Familien seiner Enkel-Generationen im Kirchspiel Muldszen. Das Foto unten soll aus Christophsdorf stammen:

Die Eingangs erwähnte Familienlegende von Großmutter Ella brachte mich auf die Idee, nach Spuren in Polen zu suchen. Mit etwas Grundkenntnis der polnischen Sprache kann man den Namen Schmadtke einfach polonisieren: SZMATKA. Der Name hat eine Bedeutung, die ins Deutsche übertragbar ist: kleines Stück von irgend etwas, Stoffrest, Lumpen. Auf keinen Fall ein Name für hochwohlgeborene Standespersonen. Im heutigen Polen gibt es diesen Familiennamen noch, wenn auch nur selten, vorwiegend im Süden des Landes in der Gegend zwischen Rzeszów und Kraków. Ein Beispiel für das Namensvorkommen - der folgende Link führt zu einem Nachruf für Professor Jacek Szmatka (1950-2001):
Für eine tiefergehende Recherche in Polen sind unsere Ausgangsdaten von den ältesten Christophsdorfer Schmadtkes zu dürftig. Die Familienlegende könnte aber tatsächlich einen wahren Kern enthalten. Die polnische Herkunft erscheint aufgrund des Namens plausibel. Eine irgendwie glänzende oder hochwohlgeborene Abkunft ist wahrscheinlich dazugedichtet worden, um die Geschichte schöner zu machen. Bemerkenswert ist, dass Nachkommen der Schmadtkes aus verschiedenen Zweigen, die sich seit Generationen aus den Augen verloren hatten, völlig unabhängig voneinander berichteten, dass in der Familie von einer polnischen Herkunft erzählt wurde.
Ich gehe davon aus, dass alle heute lebenden Namensträger auf die ältesten Vorkommen in Christophsdorf zurückgeführt werden können und somit alle weitläufig miteinander verwandt sind. Derzeit findet man im Deutschen Telefonbuch 57 Anschlüsse auf den Namen Schmadtke verzeichnet. 6 davon sind Firmenanschlüsse. Auch wenn man einkalkuliert, dass nicht mehr alle einen Festnetzanschluss angemeldet haben, so ist die geringe Verbreitung ein weiteres Indiz dafür, dass der Name in der heutigen Form erst vor knapp 300 Jahren in Ostpreußen entstanden ist.
Anmerkungen:
*) 1 Hufe oder Hube enthält 30 Morgen = um 1800 und später ca. 7,5 Hektar.
**) Der Entwickler des Thermometers mit der Fahrenheid-Skalierung Daniel Gabriel Fahrenheid (1686-1736) gehört auch zu diesem Geschlecht.

Alle meine bisher gefundenen SCHMADTKEs findet man online hier: 
http://gw.geneanet.org/viktorh_w?lang=de&m=S&n=schmadtke&p=
Ich freue mich wie immer über Anmerkungen, Fragen und kritische Kommentare zu allen hier erwähnten Namen und Sachverhalten.
 
 

Samstag, 12. März 2016

Die BERGAUs im Samland

Der Familienname BERGAU kam im Samland recht häufig vor. Meine Verbindung zu den BERGAUs beginnt mit einer Urur-Großmutter:
Wilhelmine Friederike BERGAU, *1834 in Weischkitten
Sie ist die älteste Tochter des Cöllmers Johann Samuel BERGAU (1806-64), der in Weischkitten einen Hof von 204 Morgen (ca. 50 Hektar) bewirtschaftet. Weischkitten gehört zum Kirchspiel Rudau. Wenn man sich auf den Weg von Cranz nach Pobethen begibt, liegt Weischkitten auf der Strecke zwischen Michelau und Grünhoff, dort wo die Chaussee in einem 90-Grad-Winkel nach Süden abknickt, bis dann nach einigen hundert Metern der Abzweig nach Grünhoff und Pobethen sich wieder nach Westen wendet.
Das Dorf Weischkitten bestand jahrhundertelang aus 5 Bauernhöfen*) von je 135 Morgen, die dem Amt Grünhoff scharwerkspflichtig waren, außerdem einem adeligen Gut von 270 Morgen (mit bürgerlichen Besitzern) und einem Dienstgrundstück für den jeweiligen Forstbediensteten. In den 1780er Jahren wird dieses der Landesherrschaft gehörende Forstgut „in Erbpacht ausgethan“ an Johann Friedrich BERGAU (1751-1836), dem Vater von Johann Samuel. Wie es heißt, macht die Existenz eines Dienstgutes für einen Forstaufseher in Weischkittten keinen Sinn, weil der ehedem zu betreuende Forst schon lange nicht mehr in nötiger Größe vorhanden ist oder sich die Aufgaben und Strukturen nachhaltig verändert hatten. Im 17. und 18. Jh. wurden die Nutzer des Forstgutes als "Hasenheger" tituliert. Vielleicht stand diese Aufgabe in Bezug zum Schloss Grünhoff, das zur Zeit des Großen Kurfürsten der Landesherrschaft noch als Jagdschloss diente. Später wurde es zum Sitz des Amtmannes, der neben einer erfolgreichen Bewirtschaftung des Gutslandes auch für die Regionalverwaltung zuständig war.
Schloss Grünhoff um 1860

Nach den Napoleonischen Kriegen verschenkte König Friedrich Wilhelm III. die Domaine Grünhoff an seinen General Friedrich Wilhelm von Bülow. In Anerkennung seiner militärischen Verdienste erhielt er die erbliche Grafenwürde mit dem ehrenden Zusatz "von Dennewitz" (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_B%C3%BClow_von_Dennewitz)


1790 kauft Johann Friedrich BERGAU den Hof in Weischkitten zu sogn. köllmischen Rechten. Sein Sohn und Hoferbe Johann Samuel ist das Jüngste von 10 Kindern. Dessen ältester Bruder Johann Wilhelm (1783-1864) heiratet 1807 eine Köllmer-Witwe KOBBERT in Barthenen und begründet so den dortigen Zweig dieser Familie. In folgendenden Generationen verzweigen sich die Weischkittener BERGAUs auch nach Eisliethen und nach Michelau.

Dann gibt es eine weitere BERGAU-Familie in Sasslauken im Kirchspiel Rudau. Auch dort übernehmen die BERGAUs in den 1780er Jahren ein Gut. Sie kaufen 423 Morgen von der seit vielen Generationen in Sasslauken ansässigen Köllmer-Familie VOGEL. Die BERGAUs in Sasslauken verkaufen den Hof jedoch etwa 1836 (nach dem Tod des Vaters Wilhelm Bergau 1776-1835). Der letzte Erbe Ludwig Samuel BERGAU taucht 1839 als Hochzinser in Neuhof im Kirchspiel Quednau wieder auf.

Die Patenbenennungen der oben erwähnten BERGAU-Familien in Weischkitten und Sasslauken lassen den Schluss zu, dass eine Verwandtschaft bestanden haben könnte. Auffällig ist bei beiden, dass die Familiengründer offenbar genug finanzielle Resourcen hatten, um sich durch den Ankauf eines Gutes in den 1780-90er Jahren eine auskömmliche Lebensgrundlage zu schaffen. Man darf daher annehmen, dass diese beiden BERGAUs aus einer begüterten Familie stammen, von der sie eine entsprechende Erbschaft mitbekommen hatten.

Um die Herkunft und Verwandtschaft dieser beiden BERGAU-Zweige aufzuklären, müssen wir nun die größeren cöllmischen Güter im Samland in den Blick nehmen, die im Besitz von Namensträgern BERGAU waren. Ein bedeutender Besitz dieser Art war das Gut Georgenswalde
(siehe: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Otradnoje_(Kaliningrad,_Swetlogorsk)&redirect=no )
Georgenswalde stand über mehrere Generationen bis 1870 im Besitz einer Familie BERGAU. Nach 1900 entsteht auf einem Teil des Gutslandes die Villenkolonie Georgenswalde in attraktiver Nähe zur Steilküste und dem Ostseestrand. Ein Wanderweg oben auf der Steilküste bot atemberaubende Ausblicke.

Gutshaus Georgenswalde um 1900
Die BERGAUs von Georgenswalde begegnen mir bei meinen Forschungen in Diewens (Kirchspiel Pobethen). Dort erscheint 1814 ein Ernst Bergau und heiratet die Cöllmerwitwe Trunz. Die Heirat einer Witwe mit einem ordentlichen Hof war immer schon eine beliebte Existenzgründungsmöglichkeit für Söhne, die nicht damit rechnen konnten, das väterliche Gut zu erben. In dem erfreulich detailreichen Heiratseintrag heißt es zur Herkunft des Bräutigams: „der bisherige Wirthschafter in Auerhof u. Sohn des köllm. Gutsbesitzers Joh. Christian Bergau in Georgenswald“. Ernst BERGAU bewirtschaftet fortan 186 Morgen cöllmisches Eigentum in Diewens. Die Familie BERGAU hält sich dort mindestens bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die 5 cöllmischen Höfe in Diewens werden zum Ende des 19. Jh. zu einem großen Gut zusammengelegt, welches von der Familie KROMPHOLZ geführt wird.

Ein weiteres größeres Gut im Besitz von Namensträgern BERGAU heißt Kringitten, auch im Kirchspiel Pobethen gelegen: 7 Hufen oder 475 Morgen, welche in den 1770er Jahren an einen Kischnick veräußert werden. Möglicherweise steht der Verkauf in Zusammenhang mit dem Besitzübergang an eine Nachfolgegeneration. Wenn kein Erbe die Verantwortung tragen wollte, den ererbten Besitz für die Erbauszahlung der Geschwister mit einem Kredit zu belasten, konnte ein Verkauf die Lösung sein.
Es wäre also denkbar, dass Jacob BERGAU in Sasslaucken und Johann Friedrich BERGAU in Weischkitten aus Georgenswalde oder aus Kringitten stammen. Beides bedarf noch genauer Recherchen, um die nötigen Belege zu finden. Falls keine Zusammenhänge erkennbar werden, müssen wir an anderen Orten weitersuchen.

Abschließend möchte ich noch Gedanken zur Herkunft des Namens zur Diskussion stellen: bei BERGAU denkt man ganz naheliegend an Berge und Auen, was vorschnell an Siedler aus deutschen Mittelgebirgslanden denken läßt. Ich vermute jedoch einen prußischen Ursprung. Ältere Schreibweisen in zufällig gesichteten Dokumenten verweisen meines Erachtens in Richtung der Ureinwohner Preußens: Bergaw, Bargaw, Bargowe.

Wie immer freue ich mich über Nachfragen oder Kommentare, nicht nur zu BERGAU, sondern zu allen hier genannten Namen und Zusammenhängen. Es gibt noch viele weitere BERGAUs im Samland, von denen ich Daten gesammelt, die ich jedoch noch nicht veröffentlicht habe, weil die Verwandtschaften (noch) unklar sind. Möglicherweise sind Ihre Angaben genau das fehlende Detail, um größere Zusammenhänge erkennbar werden zu lassen.

Hier findet man alle meine BERGAUs, die ich eindeutig verknüpfen konnte:
http://gw.geneanet.org/viktorh_w?lang=de&m=S&n=Bergau&p=

Anmerkungen:
*) die 5 Bauernhöfe in Weischkitten werden über viele Generationen seit dem 17. Jh. bis in die Neuzeit von den Familien Thalau, Schwill, Pokar/Pockahr bewirtschaftet. Daneben werden auch Besitzernamen genannt, die gelegentlich wechseln: Gronwaldt, Tischler, Timmler. Insbesondere die SCHWILLs haben sich in der Region zu einem schwer zu durchdringenden Geflecht ausgebreitet. Sie sind auch in Rudau, Michelau, Dollkeim, Rosehnen und Nautzau zu finden.