Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Montag, 29. August 2011

Die Familie HENSEL in Blöcken, Kirchspiel Caymen, Samland

Gläubiger und Schuldner, Zwangsversteigerung und Besitzverlust, aber auch Wiedererlangung desselben: Wie sich die Familie HENSEL im frühen 18. Jh. in Blöcken behauptet.
Blöcken, in früheren Zeiten auch Blecken oder Bloecken geschrieben, liegt im Kirchspiel Caymen (später: Kaimen) im östlichen Samland, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Königsberg. Man könnte auch sagen, auf halbem Wege zwischen Königsberg und Labiau. Es gibt dort 6 cöllmische Höfe mit jeweils ca. 3,5 Hufen (etwa 55 ha), deren Eigentümer im 18. Jh. noch als „Preußische Freye“ bezeichnet werden. Es handelt sich durchgehend um Eigentum, das in Mittelalter nach sogn. preußischen Rechten den Ureinwohnern verbrieft wurde, worauf die Akten durch die Titulierung „Pr.Freye“ im 18. Jh. immer noch Bezug nehmen.

Außerdem leben dort noch 3 Bauern, die sich bereits aus der Erbuntertänigkeit haben lösen können. Sie werden daher als Hochzinsbauern bezeichnet. Sie zahlen mehr Abgaben als die Scharwerksbauern und sind dafür von gewissen Diensten und Pflichten gegenüber dem Cammeramt Caymen befreit.

1755 werden in der Praestationstabelle (PT) 1) , eine Art Steuerliste mit genau verzeichneten Besitzverhältnissen und den darauf lastenden Zahlungsverpflichtungen, folgende Freye in Blöcken genannt:

Johann George Hennig 6H 29M
(ein doppelter Hof, der in der nächsten PT wieder geteilt ist),
Michel Hennig 3H 15M,
Heinrich Hensel 3H 15M,
George Schultz 3H 15M,
Johann Martin Obernest 3H 15M.
Die Hochzinsbauern heißen Gottfried Klinger, Friedrich Haahn, Johann George Stawitz und haben jeweils 3 Huben in Besitz. In der nächsten PT haben sie jeweils nur noch 2 Huben. Diese abgenommenen Huben werden dem Dorfkrug als Land zugeschlagen. Im Dezember 1775 ersteigert der Cöllmer Johann Christoph Schweichler aus Senseln für seinen Bruder Reinhold den Krug mit den 3 Huben. Der Schweichler setzt sich gegen seine Mitbewerber Johann Gottlieb Engel(cke) aus Heiligenwalde, Friedrich Ernst Kadgien aus aus Pogauen und Christoph Schreck aus Cropiens mit dem höchsten Gebot durch (1.615 Mark 30 Groschen) 2) .

Neben diesen Besitzerfamilien leben 1755 noch 17 Instleute mit ihren Familien im Dorfe. Die Instleute haben kein eigenes Land. Sie arbeiten auf dem Besitz derer, die sie in Dienst genommen haben und wohnen in der Regel auch dort. Insgesamt umfaßt das Dorf mit seinen Ländereien eine Fläche von 29 Huben/Hufen und 29 Morgen (ca. 450 Hektar). Das ist die solide Basis für bescheidene Wohlhabenheit der dort ansässigen Landwirte.

Auf die PT von 1755 folgt erst wieder eine im Jahre 1780. Für die Jahrzehnte dazwischen ist keine PT überliefert. 1780 werden die Besitzverhältnisse folgendermaßen dokumentiert 3) :
 
Preuß. Freyen :
Johann Christof Hennig 3H 14M 150R hat sich eingeheyrathet, Privileg 1528  
Johann Jacob Tobien 3H 14M 150R
mit seiner Frauen vom vorhergehenden Wirth erhalten  
Albien Hennig 3H 15M von den Eltern Privileg 1528  
Heinrich Hensel 3H 15M wie vor 
Ernst Hempel 3H 15M olim Christoph Schultz; erkauft  
Ernst Obernest 3H 15M ererbt HochzinßBauren :
Krüger Reinhold Schweichler 3H
zur Erbpacht, Verschrbg vom 11.02.1777  
Christian Brettschneider 2H vom Vater angenommen, 27.05.1779  
Johann George Stawitz 2H wie vor  
Gottlieb Hahn, olim Brettschneider 2H Lt.Vergleich angenommen, 14.02.1770  
Wohnen alhier noch 19 Instleuthe, 1 Wittwe, 1 Schulmeister und 1 Hirth.  

Folgender Bericht fand sich in den Akten, der die nicht einfachen Lebensumstände eindrücklich schildert. Genügend Landbesitz allein reicht nicht, um ein ordentliches Auskommen zu finden, wenn die Umstände ungünstig sind: >> Die Dorfschaft Bloecken zeiget an, wie sie wegen der beständigen Überschwemmungen, die aus Mangel der Vorfluth entstünden, seit etlichen Jahren einen enormen Verlust leiden und ihr Heu verliehren müßen; das Adeliche Dorf Tymsdorff wäre verbunden, diese Vorfluth zu machen, allein solches thäte nichts, so viele Commissiones wären da gewesen, die alle ihre Beschwerden gegründet gefunden und es geschehe doch nicht das geringste, jetzt sey es nicht mehr auszuhalten, sie müßten durch dies Versäumnis der Nachbahren gäntzlich zu Grunde gehen und bitten umb eine nachdrückliche RechtsHülfe. Aber AmtMann Mahraun adstipuliret nicht nur in omnibus der Aussage dieser Dorfschaft, sondern füget hinzu, daß er nicht unterlaßen, sich dieser Sache anzunehmen; Acta Camerae würden solches mit mehreren beweisen; schon dreymahl wären Commissiones von Waßer-Bau-Verständigen zur Stelle gewesen, die es ausgemacht, daß die Vorfluth von denen Adelichen Tymsdorffschen Einsaaßen gemacht werden müßte; der LandRath von Ostau selbst wäre da gewesen, hätte versprochen, es solte geschehen, auch nachdrückliche ordres von der p.Cammer dazu gehabt, indeßen bleibe es in statu pressimo und würde keine Hand gerührt. Beamter weiß nicht, woran es lieget, dieses sonst gute Dorf würde durch diesen Umstand total ruiniret. <<
(aus Gerichtstagsprotocoll 24. Juli 1779 aus PT Caymen Nr. 2, Seite 69ff; siehe Anmerkung 2)

Vor diesem Lebenshintergrund spielt sich in der Familie HENSEL eine ungewöhnliche Geschichte ab, die sich in den Daten aus der PT und den Kirchenbüchern überhaupt nicht widerspiegelt. Es geht um Besitzverlust, um Pfändung wegen Schulden, aber auch um die Rückabwicklung der Pfändung Jahrzehnte später, weil das Verfahren juristisch nicht ganz einwandfrei umgesetzt wurde.
Anfang der 1690er Jahre heiratet Heinrich HENSEL Elisabeth OBERNEST. Heinrich ist 1650 in Sielkeim geboren. Sein Vater war dort Krüger. Die Ehe mit Elisabeth dürfte bereits seine zweite Ehe gewesen sein. Elisabeth entstammt einer in Blöcken alteingesessenen Familie der sogn. Preußischen Freyen. Die unbekannte erste Ehefrau stammte sicherlich ebenfalls aus Blöcken und müßte bei der Heirat mit Heinrich Hensel verwitwet gewesen ist. Nur so läßt sich ein amtliches Schreiben von 1694 erklären, in dem auf eine Bitte von Heinrich Bezug genommen wird, des Heinrichs Besitzübernahme von seinem Stiefsohn Michel Schleck(?) in Blöcken behördlich zu legitimieren. Offenbar kauft Heinrich HENSEL die 3,5 Huben (etwa 55 Hektar) in Blöcken vom Sohn seiner verstorbenen Frau aus deren erster Ehe und etabliert sich damit dauerhaft in jenem Dorf 4) .

Im Jahre 1708 geben die Archivakten wieder Kunde von Heinrich HENSEL in Blöcken 5) :
>> Friedrich König in Preußen p.
Lgtr~ Nachdem Uns der BürgerMeister in hiesiger Stadt Löbenicht Königsberg Martin Jeschke zu versehen gegeben, was gestalt Ihm Heinrich Hensel ein Frey zu Blecken unter dem CammerAmbte Caymen mit einer gewißen Schuldt bereits vier Jahre her verhaftet(?) ist, Er aber die Zahlung nicht erhalten können, und dannenhero umb Unsere Verordnung, wie der Beyschluß mit mehrerem zeiget, allerunterthänigst gebethen; Alß remittirn Wir die Sache an Dich, mit allergnädigstem Befehl, solche gründlich zu untersuchen, und obbemeld[e]ten Jeschke schleunige nachdrückliche Justitz +) zu administrirn, auch wann die Schuldt liquid ist, und sonst nicht entrichtet werden kann, als Debitorii Guth Blecken subhastirn zu laßen, jedoch nach entstandenem Both mit der Adjudication noch nicht zu verfahren, sondern Uns davon vorhero zu fernerer Verordnung wegen Unsers dabey … oberlehensherrlichen Interesse pflichtmäßig zu berichten. An dem p. d 27. Novbr. 1708

am Rande hinzugefügt +)
… ob da so zugleich die Caymensche Kirche gänzlich zu befriedigen sich erbietet
<<

Heinrich HENSEL hat also Schulden gemacht, sein Freygut und vielleicht auch andere Sachen mit fremdem Geld erworben und offenbar gar keine oder nicht hinreichend Schuldentilgung geleistet. Der Bürgermeister von Königsberg-Löbenicht zweifelt an der Kreditwürdigkeit und macht seinen nicht unerheblichen Einfluß geltend, um nun notfalls auch mit Zwangsmaßnahmen das verliehene Kapital zu sichern. Aus dem Caymenschen Kirchenbuch weiß ich, daß Heinrich HENSEL am 3. Sept. 1708 verstorben ist. Er hinterläßt die Witwe mit 6 Kindern (ursprünglich 8 Kinder, 2 sind 1708 schon verstorben): das Älteste ist 15 Jahre, das jüngste wenige Monate alt. Der Todesfall des Familienvaters mag den Ausschlag für den Bürgermeister gegeben haben, im November des Jahres 1708 energisch die Verbindlichkeiten einzufordern. Ein interessanter Nebenaspekt an der Geschichte: wie kommt ein scheinbar recht unbedeutender Landbesitzer zu einem Kredit eines Königsberger Bürgermeisters? Welche Beziehungen verhalfen zu solch einem Geschäftskontakt? Die Akten geben dazu keine Hinweise.

Zum Thema Kreditwesen im 17. - 18. Jh. läßt sich ergänzen, daß es in Preußen noch keine Banken im heutigen Sinne gab, bei denen man sein Geld anlegen oder Kapital ausleihen konnte. Wenn sich in den Kirchenkassen einige hundert Thaler angehäuft hatten, dann haben die Kirchenältesten das nicht benötigte Kapital gern gegen Zinsen und ordentlich überprüfte Sicherheiten ausgeliehen. Auch vermögende Privatpersonen verliehen Geld gegen Zinsen. Oder man legte sein Erspartes in Handelshäusern an, so wie zum Beispiel Immanuel Kant einiges Kapital im Königsberger Handelshaus der Kaufleute Green & Motherby arbeiten ließ. Ansonsten lieh und verlieh man Geld im engeren Kreis vertrauenswürdiger Bekannter oder der Verwandtschaft, so man denn Geld hatte.

Was passiert nun mit der Witwe HENSEL und den Kindern? Wird der Hof gepfändet? Darüber klärt uns ein weiteres Aktenstück aus dem Jahr 1721 auf 6) :
>> Actum Caymen d. 5ten July 1721
Im heutigen obgesetzten Tage geben sich die Henselschen Erben in hiesigem Königl. Ambte an, vorstellende, welchergestalt ihres seel. Vatern Freyguth zu Blöcken, als sie unmündig gewesen, von dem damahligen AmtsArendatore an den Michel Engelin auff Königl. hohen Consens zwar verkauffet worden, es finden sich selbte aber in diesem Kauff dermaaßen graviret, daß sie, da sie jetzt zum Verstande gekommen und mündig geworden, ohnumbgänglig erregtes Guth an sich zu bringen genöthiget seyen, sintemahlen Ire noch lebende Mutter in den Kauff gar nicht gewilliget, vielmehr dawieder protestiret, und das Guth an einen solchen Arendatoren vermiethen wollen, der zu Bezahlung ihrer Schulden gewißes Geld voraus zahlen und daßelbe davon liberiren, imgleichen ihr und ihren damahls unmündigen Kindern Unterhalt zu geben Willens gewesen, das Ambt aber hatt diese Conditiones nicht angenommen, sondern auff den Verkauff, auff Zureden des hiesigen P[f]arrern, gedrungen; über dieses auch hat das Ambt ihnen keinen Vormündern geordnet, vielmehr den Michael Tömler der zu Bezahlung der Schulden und umb das Guth beyzubehalten favorable Vorschläge thun wollen, abgewiesen und schlechterdings mit der Subhastation [Zwangsversteigerung] des Guths verfahren, welche auch nicht legal vorgenommen, zumahlen das Guth, da es auff 3en Cantzlen publiciret werden sollen, nur in hiesiger Kirchen alleine subhastiret worden; über dieses ist der Wittiben den Überbleib des KauffSchillings nicht ausgezahlet, noch hat der Käuffer die KauffSummam richtig und völlig erleget, sondern der Kirchen Rest stehet bis Dato, umb des Willen jedoch der Pfarrer größtentheils auff den Verkauff gedrungen; wenn der Wittiben aber hierin gleich dem Käuffer gefüget wäre, hätte sie das Guth woll mainteniren können, wes wegen die Henselschen Erben bitten den Käuffer Michael Engelin darüber zu vernehmen und ihn dahin zu bringen, daß er das erkauffte Guth, gegen Erlegung des KauffSchillings abtreten und Ihnen wiederumb einräumen möge.

Michel Engelin ist zugegen und höret der Henselschen Beybringung an, darauff ihnen remonstriret wird, wie er sich, wenn ihm sein Geld retradiret würde, zu Abtretung des Guthes leicht verstehen könne, derselbe aber will solches nicht eingehen, sondern beziehet sich auff die Königl. Confirmation des Kauff-Contracts.

Worauff dann denen Henselschen Erben aus dem Ambte zum Bescheide ertheilet wird, daß selbige ihre Nothdurfft Sr. Königl. Majestaet vortragen und in dieser Sache dero allergnädigste Decision erwahrten müßen, bevorab der KauffContract confirmiret und das Ambt den Käuffer zufolge deßen dabey zu schützen verbunden ist.
<<

Es hat also auch Verbindlichkeiten gegenüber der Kirchenkasse gegeben, die den Pfarrer veranlaßten, ebenfalls auf einen Verkauf des Besitzes zu drängen, um an das verliehene Geld zu kommen. Es erscheint eigenartig, daß weder der Bürgermeister Jeschke noch der Pfarrer und der Amtmann in Caymen ein offenes Ohr für die konstruktiven Vorschläge zur Erhaltung des Gutes im HENSELschen Besitz hatten. Lag es an einem irgendwie unlauteren Charakter des verstorbenen Heinrich HENSEL, daß die Gläubiger nach seinem Tode sich genötigt fühlten, so rigide zu agieren? Hat die Familie so außerordentlich über ihre Verhältnisse gelebt? Schauen wir in das nächste Aktenstück 7) :

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster Herr!
Zwischengeschobener Aktenvermerk in anderer Tinte u. Schrift: Falß Capitain v.Götz nichts erhebliges wieder des Supplicanten beybringen einzuwenden hätte, solte das Oberburggräfl. Ambt den Supplicanten zu seiner Bezahlung executive verhelfen.
Ewr. Königl. Mayestaet muß ich in tieffster Unterthänigkeit gantz fußfällig vorstellen, wie daß meines seel. Vatern FreyGuth Blöcken, von 3 Huben 15 Morgen, vor 2527mk 10g subhasta verkauffet worden ist. Da aber aus der beyl. Veritas laut dem Commissorialischen Recess vom 23t Juny 1716 im Ambte Caymen baar 750 mk deponiret seyen, wovon meiner Mutter der verwittb. Henselin, von dem Capitain v.Götzen, als damahligen Arendatore des Ambtes Caymen 158mk 2g annoch gezahlet werden sollen, weil dieses quantum nach Auszahlung meines seel. Vatern Creditorum, alß ein Überschuß und Depositum im Ambte übrig geblieben, so der Capitain v.Götzen an sich genommen, und in seinem Nutzen verwendet, meiner armen Mutter aber, der verwittibten Henselin biß diese Stunde nicht befriediget hat. Alß bitten Ewr. Königl. Mayestät in tieffster Unterthänigkeit gantz fußfällig, selbige geruhen allergnädigst an das Oberbruggräfliche Amt gelangen zu laßen, daß mehr gedachter Capitain v.Götze, die in beyl. Veritas feststehende 158mk 2g nebst denen à tempore mores auffgelaufenen Interessen und Unkosten, meiner Mutter, imgleichen mir mein Lohn mit 13 thlr und 22mk 15g vor … zu bezahlen executive möge angehalten werden. Wovor in Unterthänigkeit ersterbe
Ewr.Königl. Mayestät allerunterthänigster Knecht
Heinrich Hensel Königsberg, d. 2. Feb. 1728 <<

Diesem Schreben liegt eine aufschlußreiche Abrechnung bei:
>> Actum Caymen, de. 16. Juny 1716.
Michel Englien hat an KauffSchilling vor das erkauffte Guth Blöcken von 3 Huben 15 Morgen der Henselschen im Ambt erleget : 2527 Mk 30ß

Darauf hat das Ambt gezahlet:
dem Hrn Bürgermeister Jeschke 798 mk 30ß
Capital der Caymischen Kirche 750 mk
Interesse der Caymischen Kirche 315 mk
dem Devien zu Blöcken 50 mk
Capital dem Kuncke von Tiemsdorff 100 mk
Interesse dem Kuncke von Tiemsdorff 18 mk
dem Schrade von Salvethen 50 mk
Schultzen Unmündigen 196 mk
baar im Ambte deponiret 250 mk
Summa 2527 mk 30ß

Die im Ambte deponirete 750 mk werden folgender Gestalt berechnet:

230 mk 3ß oder 51 rtl 13g an Auslagen ab 1713 eingebracht 19 mk 51ß oder 4 rtl 37 g noch an Auslagen in der 1716. Rechnung in gemeinen eingebracht 300 mk denen Vormündern der truschen Unmündigen zu Poßnicken, Gottfried Hintzen empfangen. 549 mk 54 ß Summa Bleiben noch dem Ambte zu bezahlen 200 mk 6ß

werden belegt
32 mk haben die truschen Vormünder in Commissione bezahlt bekommen
10 mk der Wittwen Henselsche im Ambt vom Herrn Pfarrer baar empfangen
158 mk 6ß der Wittwen Henselsche vom Hrn vGötzen annoch zu praetendiren.
200 mk 6ß

In Commissione beschloßen. Caymen d 23. Juny 1716 AvHesse.
<<
Dann folgt noch dieses Schreiben in der Akte:
>> Friedrich Wilhelm König in Preußen p
Lgetr. [Liebe Getreue] Demnach uns Heinrich Hensel vermittelst des Beyschlußes allerunterthängst klagend zu vernehmen gegeben, wasmaßen der Capitain von Götze, alß ehmahliger Arendator des Ampts Caymen, von denen Geldern, die seine Mutter damahlen in besagten Ampte deponiret gehabt, 158mk 6g an sich genommen, und bis diese Stunde nicht restituirt habe, wie auch ihm annoch 13rt 2~ 15g an rückständigen Lohn restire, so befehlen Wir euch hierdurch in Gnaden, gedachte von Götze darüber zu vernehmen, und, wann er dawieder nichts zu recht beständiges anzuführen hatt, denselben zu Bezahlung sothaner Forderungen exemptive anzuhalten. d. 5. Feb. 1728
AevSchlieben vLesgewang M~vBredow
<<

Ganz klar, der ehemalige Amtman von Caymen Herr von Götze muß die rückständige Summe endlich auszahlen. Wir erfahren aus der beiliegenden Abrechnung aber auch, wie verschuldet der HENSELsche Hof nun wirklich gewesen ist. Ich kann allerdings nichts sachliches zur Rentabilität des Besitzes beitragen, kann nicht beurteilen, wie berechtigt die Zweifel an der Bonität der HENSELs waren, weil mir die möglichen Erträge und Preise der damaligen Zeit für landwirtschaftliche Produkte nicht bekannt sind. Zur Erläuterung: die sogn. Interessen auf obiger Abrechnung sind Zinsen auf geliehenes Kapital. Heinrich HENSEL hat offenbar auch Kapital von Vormündern zur Verfügung gestellt bekommen, welches in der Abrechnung berücksichtigt wird. Die sogn. „truschen Vormünder in Poßnicken“ dürften die Vormünder für die Familie des in Postnicken verstorbenen Hans Trusch gewesen sein. Der Postnickensche Krüger Gottfried HINZ war ein Schwager des Hans Trusch. Der in der Abrechnung genannte DEVIEN (sonst auch Dewien oder Dewin) überrascht mich, weil ich die Familie nur aus Bothenen kenne (aus der eine meiner Ururu-Großmütter stammt).

Aus den Kirchenbüchern und Praestations-Tabellen geht hervor, daß Heinrich HENSEL junior (* 14.8.1698 in Blöcken) ohne Zweifel den Besitz seines Vaters Heinrich HENSEL senior nach einer „Zwischennutzung“ von etwa 12 Jahren durch jenen oben erwähnten Engelin weiterführt. Engelin hat nach Rückzahlung der Kaufsumme den Hof wohl anstandslos geräumt. Heinrich HENSEL junior bekommt auf diesem Hof 14 Kinder aus 2 Ehen, 6 von ihnen versterben früh. Seine Ehefrauen stammen aus den Cöllmerfamilien SCHULZ in Gallgarben und KLINGER aus Lobitten. Soweit bekannt gehen die Kinder ebenfalls Ehen ein mit altbekannten samländischen Cöllmerfamilien aus der unmittelbaren oder auch weiträumigeren Nachbarschaft: SCHWEICHLER aus Senseln (Kirchspiel Caymen), NÖPPERT aus Gallgarben (Kirchspiel Schaaken), KADGIEN aus Rogahnen (Kirchspiel Heiligenwalde).

Außerordentlich bemerkenswert an dieser Geschichte ist zum einen, wie verläßlich damals das Preußische Rechtssystem bzw. die Verwaltung funktionierte und zum anderen, wie zielstrebig und erfolgreich die Familie HENSEL die Wiedererlangung ihres Besitzes betrieben hat. Eine offene Frage bleibt, woher oder wie sie die Mittel erlangt hat, den Besitz zurückzukaufen. Man kann nur annehmen, durch beharrliche Arbeit und sparsames Haushalten, möglicherweise auch durch Erbschaften und Mitgiften. Es kommt zumindest nicht noch einmal zu einer Pfändung wegen Überschuldung.

Die Genealogie der Familie HENSEL ist mir vom 17. bis ins 19. Jh. bekannt. Viele beteiligte Seitenlinien und auch etliche andere der in diesem Aufsatz erwähnten Namen sind bei mir genealogisch erfaßt. Ich freue mich über einen Austausch und gebe gern Auskunft.


Verwendete Quellen mit Signaturen des Staatsarchivs Berlin:

1)GStAPK, XX.HA, Caymen PT Nr.1 (1755)
2)GStAPK, II. HA, Ostpr.III, Nr. 737
3)GStAPK, XX.HA, Caymen PT Nr.2 (1780-86)
4)GStAPK, XX. HA, EM126d Nr. 68
5)GStAPK, XX. HA, EM126c Nr. 39
6)GStAPK, XX. HA, EM126c Nr. 39
7)GStAPK, XX. HA, EM126c Nr. 55

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