Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Freitag, 31. Oktober 2008

Zwischen Sauklaue und kalligraphischen Schöpfungen

Recept zur schwarten Tinte :

Recipe 16 loth recht gute GallApfel

6 Loth Vitriol

6 Loth Gummi Arabicum

Diese Specier werden gröblich zerstoßen und ein Eßlöffel voll Salt hinzugethan. Schytte diese Ingredientien in einen ganzen Topf, gieße darauf Weineßig so viel nöthig ist es zum dünnen Brey zu machen; In einem sehr engen Düsentopf zugedeckt auf einen warmen Ofhen etwa 3 bis 4 Tage lang und rühret das inrin befindlich täglich öfter um. Nachher gießet man recht heiß gemachtes Waßer oder Schnee u[n]d Regenwaßer darauf; setzt den Topf wieder auf einen warmen ofen 4 bis 5 auch 6 Tage lang, und rühret ebenfals täglich fleißig um. Nachher klaret man die Tinte in Boutaillie schropfet sie zu und verwahret sie. In jede Boutaillie werden 4 Gall Apfel in 4 bis 6 Stücke so daß sie durch den Hals der Boutaillie durch gehen hereingeschmießen. Nota die Tinte muß an einem gemäßigten Orte stehen, damit sie nicht gar zu große Wärme noch weniger Frost erdulden (bekommen) dürfe.

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(Aus dem Kirchenbuch Heiligenwalde, Kreis Königsberg) - Martin

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Suchspiel im Kirchspiel: Löwenstein, Kreis Gerdauen

Löwenstein, ein erstes Mosaik

Alles wie im Nebel, eine undurchsichtige Suppe, die ich mir da zum Auslöffeln ausgesucht habe. Muss mich erst an die Schrift und die Struktur des Schreibers gewöhnen. 1618 wird die Geburt eines Sohnes von Jacob Matz in Kröligkeim aufgeschrieben. Na, sehr hilfreich ist die Reichhaltigkeit der Angaben nicht und in meinen Gedanken stelle ich die Bitte in die Vergangenheit, dass die, die gefunden werden wollen, sich jetzt gerne mal nach Vorne drängeln sollen, damit ich sie sehen kann. Na,- geht doch schon was besser: Elisabeth 1619, Jacob 1621 und Christian 1625 mit Vater Jacob lassen sich in Kröligkeim blicken. Dann eine Pause.

Erst 1636 taucht Michael, der Sohn des Hans Matz in Kröligkeim, Knecht und Domspielmann lese ich, auf. Vom selben Vater, jetzt Gaertner in Kröligkeim, finde ich 1638 Johann, 1642 Christoff, 1644 Martin.

Ab 1650 taucht der Name Martin Matz als Vater in Kröligkeim auf. Bis 1663 finde ich in 2 – 3 Jahresschritten 6 Kinder. 2 Töchter 1650/ 1652, dann Maria 1654, Christoff 1657, Jacob 1660, und Dorothea 1663.

1668 springt mir ein Hanß Matz aus Kröligkeim mit der Geburt seiner Tochter Barbara vor die Linse. Danach ist er weg.

Was mach ich hier eigentlich? Warum das Ganze?

Ab 1669 hat ein Martin Matz folgende Kinder: Catharina 1669, Elisabeth 1671, Barbara 1675, Regina 1678. Um 1693 wird des Löwensteiner Martin Matz Sohn Christian geboren. Die Mutter heißt Anna.

Zur weiteren Verwirrung bietet sich mir noch Christoff Matz in Kröligkeim mit seinen Kindern Anna 1675, Christoph 1677, Dorothea 1678.

Kein richtiger Faden ist zu finden. Der kommt erst später…


1714 freuen sich Martin Matz und seine Frau Maria Kanehn in Löwenstein über die Geburt ihres Sohnes Michael. Drei Jahre später lässt sich die Geburt von Bruder Christoff finden.

Ich stolpere über den Eintrag eines Kirchenbuchschreibers, der schon damals mein heutiges Leid über undeutlich unleserliche unstruktirierte Vermerke teilte:
Mein Gott, was vor Unordnung in so wichtigen Dingen, nun stehen die Ochsen am Berge – Gib doch mein Gott deinen Knechten in ihr Hertz, daß sie gute Ordnung lieben, u. so ihren Nachkömmlingen nicht Ärgernüß machen. Amen!

Das Suchspiel hat begonnen und ist schon vor 200 Jahren für manchen zur Mühsal gewesen. Mein Interesse gilt Michael, dem Gärtner und Eigenthümer in Löwenstein, der 1742 Catharina Strauss ehelicht. In den kommenden 12 Jahren kann ich fünf ihrer Kinder finden. Maria, Jacob, Catharina, Christoph und Anna. Christoph stirbt mit knapp 5 Jahren.

Auf weitere Hindernisse neben mancher Schrift stoße ich dadurch, dass es in Löwenstein zwei Michael Matz gibt, die nur durch die jeweiligen Ehefrauen zu unterscheiden sind. Der zweite ist mit Anna Neumann verheiratet und ich finde 1739 Sohn Christoph und 1741 Tochter Anna, die 1 ½ Jahre später stirbt. Die hochschwangere Catharina Strauss, verehelichte Matz, ist 1743 Taufpatin der kleinen Maria, deren Eltern Michael Matz und Anna Neumann sind. Genau eine Woche später bringt sie eine Tochter zur Welt, die sie, wie soll es anders sein, ebenfalls Maria nennt. Was mach ich da 245 Jahre später, wenn ich 1763 im Kirchenbuch den Hochzeitseintrag einer Maria Matz, deren Vater Michael aus Löwenstein ist, finde? Sie heiratet jedenfalls Jacob Wosegin von Romsdorff.

Möglicherweise ist sie dann das erste Kind des 1768 im Alter von 54 Jahren an Schwindsucht verstorbenen Gärtners und Eigenthühmers Michael Matz, das geheiratet hat. 1769 folgt eine weitere Matz-Hochzeit, diesmal von der 22jährigen Catharina mit Christoph Pahlke, dem 32jährigen Schmiedegesell, dessen Vater George Schmidt und Mitmeister des Schmiedegewerks zu Schippenbeil war. Anna nimmt sich mit 23 Jahren 1777 den 30hährigen Christoph Bundig, Musquetier und d. Major von Cemnitz Compagnie von Tumplingschen Regiments und d. Christoph Bundigs gewesenen Schmidts in Hohenfelde und Mitmeister des Schippenbeiler Schuhmachergewerks nachgelaßenen Sohn, zum Mann.

Jacob Matz ist bereits 29 Jahre alt, als er sich in Löwenstein 1774 mit der Stieftochter des Johann Quandt, Barbara Nitsch verheiraten muss, denn 3 Monate zuvor ist Sohn Michael unehelich zur Welt gekommen. Sie ist 6 Jahre jünger und für den Zimmergesell Jacob in Kröligkeim eine gute Partie, denn fortan kann er 6 Huben, 3 Morgen und 156 Ruthen in Kröligkeim sein Eigen nennen und bewirtschaften. Vermutlich haben ihre leiblichen Eltern, Wilhelm Nitsch und Catharina Borchert, ihr ein entsprechendes Erbe hinterlassen.

In Löwenstein hat sich von allen Dörfern des Kreises – daneben wäre etwa noch Bieberstein und Gr. Schönau zu nennen – am reinsten die ursprüngliche Anlage des ostdeutschen Angerdorfes erhalten: in der Mitte der Anger, begrenzt von zwei Straßen, an deren Außenseite die beiden Gehöftreihen hinziehen, während auf dem Anger Kirche, Krug, Schmiede, später noch die Schule liegen. Denken wir uns diesen noch heute rechteckigen Dorfplan mit einem festen Zaun umgeben, aus dem Tore ins Freie führen1 , so haben wir das typische Kolonistendorf des Ordenslandes vor uns. Dahinein paßt recht die stattliche Kirche, eine der besterhaltenen des Ordenslandes.

Die Handfeste von Kröligkeim (Krelekaim) stammt vom 29. Juni 1374. Die Brüder Klaus und Heinrich erhielten 5 ½ Hufen „um der Besetzung willen“ zum Schulzenamt. Von den 54 Hufen lagen nur 44 bei dem Dorfe, 10 Hufen waren „sonderlich gelegen im Krackentin bei der Leunenburger Grenze und bei der Heide“. Noch heute liegt der Kröligkeimer Wald südwestlich abseits im Kreise Rastenburg. In dem bekannten Walde Krakotin, der westlich Leunenburg Ordensland und Ermland voneinander schied, dürfte der kröligkeimer Dorfwald kaum zu suchen sein, obwohl der Gleichklang der Namen und die Bezeichnung „bei der Leunenburger Grenze“ diesen Schluß nahelegt. Doch ist dazu die Entfernung vom Dorfe zu groß. Durch spätere Verleihungen erlangte das Dorf einen Umfang von 60 Hufen.

(Altpreußische Forschungen, 6. Jahrgang 1929, Das Siedlungswerk des Deutschen Ordens im Lande Gerdauen, Von Martin Rousselle)

In den kommenden 12 Jahren ihrer Ehe werden 8 Kinder geboren. Der Überblick über diese Jahre fällt dramatisch aus, denn Michael, Catharina, Christoph, Dorothea, Anna Maria sterben jeweils im frühen Kindesalter, sei es an Pocken, Husten oder Epilepsie. Ein Sohn wird tot geboren. Barbara Nitsch stirbt im Alter von 36 Jahren im März 1787. Sohn Jacob stirbt im Alter von 27 Jahren 1814 an Auszehrung. Einzig Catharina Elisabeth übersteht die Zeit. Sie bringt 1804 die uneheliche Anna Maria zur Welt, die jedoch einen knappen Monat später an Husten verstirbt.

Im Alter von 42 Jahren heiratet Jacob Matz erneut. Seine Braut ist die 24 Jahre alte Elisabeth Briese. In den nun kommenden 21 Jahren werden weitere 11 Kinder in Kröligkeim geboren, einmal sogar Zwillinge. Charlotta stirbt im Kleinkindalter 1804 an Epilepsie.

Ich kann es erst nicht richtig glauben, aber so ist es. Jacob hat 19 Kinder gehabt.

Als Elisabeth Briese im Alter von 63 Jahren 1826 verstirbt, gibt es neben dem 81 jährigen Witwer noch Sohn Peter (38J.) in Kröligkeim, der als Ältester vermutlich den Hof weiter bewirtschaftet, Barbara (36 J.) hat mit ca. 21 Jahren den Hochzinser und späteren Schulz von Kröligkeim, Gottfried Müller gehreiratet, Ludwig (35 J.) ist Bäckermeister in Petersbu(e)rg, sein Bruder Gottfried (26 J.) dort Bäckergesell, Regina (33 J.) ist seit 7 Jahren mit Ludwig Reimer in Löwenstein verheiratet, Friedrich (21 J.) ist Zimmergesell in Barten und die anderen Geschwister Anna (31 J.), die Zwillinge David und Simon (28J.), sowie Carl (20J.) sind noch in Kröligkeim.

Anna heiratet 34jährig 1829 den Großbürger und Mälzenbräuer Friedrich Reichert in Schippenbeil.

Erstaunlicherweise taucht nirgends ein Peter Matz im Kirchenbuch auf. Was ist mit ihm? Ebenso fehlt eine Spur von Simon und auch Carl. Eine ganz andere Frage ist, wo Ludwig und Gottfried verblieben sind als Bäckermeister und –gesell. Petersburg lässt sich nicht finden, Petersberg gibt es in den Kreisen Angerburg und Sensburg. Wo sind sie wirklich gelandet?

Jacob Matz stirbt 1827 im Alter von 82 Jahren in Kröligkeim.

Derjenige, der den Besitz in Kröligkeim weiter führt, scheint Zwilling David zu sein. Er heiratet, gleich alt wie sein Vater, mit 29 Jahren in Löwenstein nach dem Tod seiner Eltern 1827 Maria Elisabeth Wulf im Alter von 24 Jahren.

Die Kirche Löwenstein ist ein rechteckiger Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert mit vorgelegtem Westturm (1800 erneuert) und schön gegliedertem Ostgiebel. Der Innenraum hat eine bemalte Holzdecke (2.Hälfte 18. Jahrhundert). Reste der Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert konnten bei Renovierungsarbeiten 1932 freigelegt werden. Die Kirche besitzt eine reiche Ausstattung. Der Flügelaltar auf der gotischen Backsteinmensa entstand in seinen ältesten Teilen im 15. Jahrhundert; im Schrein Maria zwischen Petrus und Paulus, auf den bemalten Flügeln Darstellungen aus dem Leben Jesu. Erst 1694 wurde der Altar zur letzten Form zusammengesetzt. Die Kanzel von 1608/09 aus der Werkstatt des Meisters B. M. ist eine barocke Schnitzarbeit. Aus dem 16. Und 17. Jahrhundert stammen der Beichtstuhl, Gestühl und Emporen. Ein künstlerisch bedeutsames Ausstattungsstück ist der Taufengel vom Ende des 17. Jahrhunderts. Die Orgel wurde 1773/75 von Preuß – Königsberg erbaut. Die Kirche hat vier Glocken. (Geschichte der Evangelischen Kirche Ostpreussens II , Walther Hubatsch 1968)

In den kommenden 11 Jahren ihrer Ehe werden Carolina, Carl, David, Gottfried und Catharina Elisabeth geboren. Gottfried überlebt ein „hitziges Fieber“ nicht und verstirbt im Alter von 2 Jahren. Maria Elisabeth Wolff verstirbt 1838 an Krämpfen im Alter von 34 Jahren.

David ist bereits 41 Jahre als er 10 Monate nach dem Begräbnis seiner ersten Frau 1839 die Jungfrau Regina Koesling heiratet. Sie ist 26 Jahre alt. Friedrich August, Ludwig, Wilhelmine Auguste und Anna Regina werden im Laufe der nächsten sechs Jahre geboren. Die Geburt seiner letzten Tochter hat er noch miterlebt, bevor er im Altern von 47 Jahren verstirbt.

Regina Koesling heiratet 1846 den 46jährigen Carl Ferdinand Schemmerling aus Rockeln im Kirchspiel Schoenbruch. In Löwenstein werden fünf weitere Halbgeschwister zu den bisherigen Matz ´ens geboren, nur diesmal mit Nachnamen Schemmerling: Ferdinand Bernhard, Anna Maria Amalia, Gottfried Gustav, Friedrich Wilhelm und Anna Catharina Maria Elisabeth. Zwischen Anna Catharina Maria Elisabeth Schemmerling und ihrem Halbbruder Friedrich August Matz liegen 20 Jahre. Zwischen Friedrich August Matz und seiner Halbschwester Carolina Matz beträgt der Abstand in die Vergangenheit 11 Jahre.

Was für ein Sortierspiel! Was ist in der Zwischenzeit aus dem Besitz des Jacob Matz geworden? Welches der letztgenannten Kinder führt einen Hof in Kröligkeim weiter?

Carolina Matz, die Älteste aus der Reihe, heiratet 1852 im Alter von 24 Jahren Ludwig Müller. Er ist bereits 32 Jahre alt, Besitzer des Abbau Schippenbeil und entstammt ebenso einer weit verzweigten Kröligkeimer Familie, was wieder eine ganz andere Geschichte sein wird. Eine ihrer Töchter verheiratet sich 1888 in Schippenbeil mit Wilhelm August Haupt.

Im Löwensteiner Kirchenbuch lässt sich aus der Geschwister- bzw. Halbgeschwisterreihe der Matzens noch Ludwig Matz ausmachen, der im Alter von 33 Jahren 1874 Regine Behrendt (28 Jahre) heiratet.

Martin Haupt – Scharfenstein

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Muldsche SCHMADTKEs im Kreis Gerdauen

>> Die Kirche in Muldszen: Rechteckiger Bau aus Feldsteinen und Ziegeln mit Turm, 1806-1808 wahrscheinlich anstelle einer Kapelle aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet. Der dreischiffige Innenraum ist in der Mitte hoch, an den Seiten flacher gewölbt. Kanzel und Altar bilden ein Ganzes. Die Orgel wurde 1854 erbaut. Die Kirche hat zwei Glocken.<< (Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreussens, Walther Hubatsch, 1968)
Leider hab ich bisher keine Bilder zur Unterstützung meiner Vorstellungskraft in Abwechslung zu alten Buchstaben davon gefunden.
Also bis ganz in den Norden des Kreises Gerdauen sind sie zur Kirche gefahren, um die kirchlichen Feste zu feiern oder Abschiede zu nehmen. Meine nächste Suche dort kann ja eigentlich nicht so schwierig werden, denke ich. Es sind nur 114 Jahre im Überblick (1759-1873) auf den Verfilmungen der Kirchenbücher verteilt. Alles mit Namen SCHMADTKE suche ich. Oma Ellas Geburtsname. Hätte ich vorher gewusst, welche Knoten ich zu lösen habe, hätte ich wahrscheinlich gar nicht erst begonnen. Wer schon beim Lesen des Folgenden mitunter verwirrt den Kopf schüttelt, den kann ich gut verstehen.
Den frühesten, den ich entdecken kann ist Christoff SCHMADTKE, der seinen Sohn Gerge taufen lässt. Gerge ist am 04.03.1761 in Christophsdorf geboren. Knapp 3 Wochen später lese ich, haben am 23.03.1761 Jurgis SCHMADTKUS, könnte litauisch klingen, und Annorth (also für Anna Dorothea) STOLZENBURG in Groß Astrawischken geheiratet. Sie laufen mir bei meiner weiteren Suche nicht wieder vors Auge.
Im April 1762 treffe ich in Christophsdorf Christoph SCHMADTKE wieder. Am 30. April ist seine Tochter Erdmuth geboren und ich weiß jetzt, dass die Mutter Anna heißt. Erst 1773 entdecke ich, dass jene Mutter der Familie eine Anna LAPHSIN ist.
Am 29.November 1762 wird ein weiterer George SCHMADTKE geboren. Diesmal heißt der Vater Martin, was mich zu der Vermutung treibt, dass es in Christophsdorf 2 Schmadtke-Brüder gab, eben Christoph und Martin. Man „bepatet“ sich gegenseitig.
Von Martin SCHMADTKE aus Christophsdorf finde ich im weiteren Verlauf noch die Kinder Catharina und Johann, die beide im Kindesalter an Pocken sterben. Als Mutter kann ich später Erdmuth MOTZKUS ausfindig machen, die 1730 geboren ist und am 26.Juli 1784 verstarb. Näheres zu dieser Familie bleibt mir verborgen. Da gab´s doch bestimmt noch weitere Kinder? Vom Sohn George wird noch weiter die Rede sein.
Meine Hoffnung, dass ich gut lesbare Einträge im Kirchenbuch vorfinde macht der Schreiber schon früh zunichte. In den Anfängen lässt sich nichts leicht lesen und auch nicht finden. Dicke Tinte, unübersichtliche Schreibweise, Sauklaue, Wasserflecken, die die Tinte angelöst haben. Komplizierend kommt hinzu, dass die Verfilmung in die Ablichtung von nur rechten und nur linken Seiten aufgeteilt ist. Ich kann nicht wie in einem Buch blättern und eben mal nachsehen, in welchem Jahr ich mich befinde, weil gerade nur mal links oben eine Jahreszahl steht, aber rechts nichts mehr. Das ist ein Garant für zeitliche Zuordnungsfehler. Ich lege die frühen Jahre immer wieder ermüdet zur Seite und vertrage das nur in kleinen Häppchen, wenn ich am Meer der Gemütsruhe sitze
Zurück zum George SCHMADTKE (*1762), dem „einzigen“ noch verbliebenen aus der Linie Martin Schmadtke und Erdmuth MOTZKUS. Er verehelichte sich mit Louise WEDER und mir zeigen sich im Verlauf 7 Kinder. Christina (*1787) und Eleonora (*1786) sterben 1790 im frühen Kindesalter. Von Friedrich (*1784), Catharina Elisabeth (*1785) und Louisa (*1795) finde ich keine weitere Spur.
Bleibt aus der Geschwisterreihe noch Carl SCHMADTKE (*1792) in Christophsdorf. Er heiratet 1814 Erdmuth KUKUK (*1790, +1852). Aus dieser Ehe gehen 10 Kinder hervor: Charlotte (*1815), Erdmuth (*1817), Friedrich (*1818), Carl (*1820), Johann (*1822,+1823), Ertmann (*1824,+1843)), Justine (*1825), August (*1828), Louisa (*1830,+1833) und Samuel (*1832).
Die erstgeborene Charlotte (*1815) verheiratet sich mit Wilhelm LASER (*1816). Hier laufen mir 4 Laser-Kinder in Christophsdorf vor die Augen: August (*1845), Friedrich Wilhelm (*1849), Carl (*1851) und Wilhelmine (*1857). Wilhelm Laser verstirbt 1868 und 1870 geht Charlotte eine zweite Ehe mit Wittwer Gottfried SCHMEERGLATT ein, der zuvor mit Charlotte HOLDAK (1815-1869) verheiratet war.
Nun folgt in dieser fortlaufenden Schmadtke-Geschwisterreihe die Kuriosität einer 3-fach-Hochzeit, in der im Abstand weniger Tage im Jahre 1844 drei Geschwister einer Familie ebenso drei Geschwister einer anderen Familie heiraten. Könnte ein Dorf eine Woche gefeiert haben? Es sieht nach fester Verbindung zweier Familien aus Christophsdorf aus: SCHMADTKE mit KOWITZ. Erdmuth Schmadtke (*1817) mit Carl Kowitz (*1815). Friedrich Schmadtke (*1818) mit Wilhelmine Kowitz (*1813) und Carl Schmadtke (*1820) mit Regina Kowitz (*1819).Wie sehr sich wohl die Kowitz Eltern Johann Gottlieb KOWITZ (1775-1848) und seine Frau Louisa KOSAK darüber gefreut haben?
Im Hause Erdmuth Schmadtke/Carl Kowitz werden 6 Kinder geboren, die ich finden kann. Bei Friedrich Schmadtke/Wilhelmine Kowitz entdecke ich 7 Kinder(Carl Wilhelm *1846, Friedrich Wilhelm *1848, Heinrich *1850, Wilhelmine *1851, Amalie *1853, Auguste *1855, Henriette *1856) und bei Carl Schmadtke/Regina Kowitz kann ich 3 ausmachen (Julius *1849, Friederike *1854, Henriette *1859). So wie es aussieht, bleiben alle in Christophsdorf ansässig.
Bruder August Schmadtke (*1828) heiratet 1858 Friederike RABE (*1833) und Henriette Amalie (*1858) wird in Christophsdorf geboren. Bruder Samuel Schmadtke (*1832) wird 1862 mit Anna BALTRUSCH(*1837) vermählt. Samuel stirbt ca. 1868, denn Anna Baltrusch verwitwete Schmadtke heiratet 1869 Schmiedemeister Ludwig KRIEGER (*1832).
Folgt noch Carl Schmadtkes Bruder George (*1789). Er heiratet 2 Mal und es werden 15 Kinder von ihm auftauchen. Seine erste Frau, Anna Dorothea THIERGART (*1778, +07.09.1818) ist die Mutter von Justina (*1809), Friedrich (*1811), Carl (*1814), Erdmann (*1816) und einer tot geborenen Tochter (*1818). Sie stirbt im Wochenbett.
Georges zweite Frau Charlotte BLODAU (*02.10.1798) bringt Ludwig (*1820), Johann Gottfried (*1821), Lovisa (*1824), August (*1825), Friedrich Wilhelm (*1828), Julius (*1830), Benjamin (*1833), Samuel (*1836), Christian (*1837) und Gustav (*1844) zur Welt. Beim letzten Kind ist sie bereits 45 Jahre alt. Ich zweifle, aber es scheint so zu sein.
Alles fächert sich immer komplexer auf und neue Namen kommen hinzu. Aus der Reihe der 15 Kinder des George verheiratet sich 1832 Sohn Friedrich (*1811) mit Caroline KÜHN (Kiehn, *1812). Aus dem Dickicht der Einträge zeigen sich mir 5 ihrer Kinder: Carl (*1838), Friedrich Wilhelm (*1840, oo 1866 Henriette NEUMANN (*1840), 3 Töchter, +1901 in Gr. Astrawischken), August (*1845), Franz (*1848) und Henriette (*1851).
Friedrichs Bruder Carl (*1814) vermählt sich 1842 mit Caroline MOTZKUS (*1820) und es folgen 7 weitere Schmadtke – Kinder, die alle in Friedrichsfelde geboren werden: Friedrich Wilhelm (*1843, oo 1865 Justine RABE *1844, 2 Kinder: Gustav Emil *1867, Friedrich Franz *1874), Wilhelmine (*1845), Amalie (*1846), die Zwillinge Henriette und Louise (*1849) und Maria (*1851). Vater Carl verstirbt um 1865/66 und seine Witwe heiratet 1866 den 20 Jahre jüngeren, Julius Franz ZIPPER (*1840), der damit zum Stiefvater des nur 3 Jahre jüngeren Friedrich Wilhelm wird.
Friedrichs Bruder Erdmann (*1816) heiratet 1847 Helena HOLLACK (*1819), Tochter von Carl HOLLACK und Christine STADIE. Von ihnen finde ich 2 Kinder in Christophsdorf: Carl (*1849,+1850) und Friedrich (*1851).
Immer noch aus der Reihe der 15 Kinder folgt nun jener Erstgeborene mit der Mutter Charlotte Blodau, nämlich Ludwig SCHMADTKE (*1820). Er hält 1845 Hochzeit mit Charlotte NEUMANN (*1821), die eine verwitwete Johann KOWITZ (*1811-1844) ist und 2 Kinder mit in die Ehe bringt. Jener Johann Gottlieb Kowitz ist der älteste Bruder der schon benannten Kowitz-Geschwister-Schmadtke-Geschwister-Hochzeit. So bleibt alles schön beisammen. Auch hier entdecke ich noch 2 Kinder, die in Christophsdorf geboren werden: August (*1846) und Wilhelmine (*1851). Ich vermute weitere Kinder, die sich aber mir nicht gezeigt haben.
Ludwigs Bruder August (*1825-1872) tritt mit Louise BLODAU (*1841), Tochter von George BLODAU aus Mauenfelde, 1857 in die Ehe. Ihre Kinder werden in Mauenfelde geboren: Wilhelmine Auguste (*1858), Julius (*1860), Amalie (*1866) und Charlotte (*1869, +1870). 1872 zieht sich August „Beschädigungen“ beim Dachdecken zu, an denen er verstirbt.
Ludwigs Bruder Friedrich Wilhelm (*1828), der Maurer, vermählt sich 1854 mit Wilhelmine PAWEL (*1825). Auguste (*1854), Johanne Henriette (*1857) und August (*1860) werden in Christophsdorf und Ilmsdorf geboren.
Ludwigs Bruder Julius (*1830) verheiratet sich 1869 mit Friederike WEDER(*1834) und taucht im Kirchenbuch Muldszen nicht weiter auf.
Von Ludwigs Bruder Benjamin (*1833) finde ich im Kirchenbuch einen handschriftlichen Nebeneintrag, dass er 1897 in Marienwerder verstorben sein soll. Ludwigs Bruder Christian (*1837) ehelicht 1864 Amalie KUKUK (*1835). Von ihnen finde ich nur Maria (*1868, +1870).


Zurück zur Linie zwischen Christoph SCHMADTKE und Anna LAPHSIN. Hier stellen sich mir ein paar mehr Kinder vor: jener schon genannte Ge(o)rge (*1761), Erdmuth (*1762), Maria (*1763), Barbe (*1765), Christoph (*1768) und Anna (*1772).
George (*1761) heiratet Anna Maria LUTZKI. Mit Lücken, die auf die teils schlechte bis unmögliche Lesbarkeit zurückzuführen sind, kann ich folgende Kinder finden: Christoph (*1783), Ertmuht (*1788), Daniel (*1790), Gottfried (*1793) und George (*1796).
Georges Bruder Christoph (*1768) bittet 1789 Christoph WOLLMANN und dessen Frau Regina STARR um die Hand deren Tochter Regina WOLLMANN (*1766, +1820). Sie begründen eine Schmadtke-Linie in Lönkendorf. Es werden Christina (*1790), Christian (*1793), Gottfried (*1796), Christoph (*1799), Johann (*1802), Carl (*1805) und Justine (*1809) geboren. Nach dem Tod von Regina WOLLMANN heiratet Christoph SCHMADTKE 1820 Eleonore PUSCHKEIT (*1778), verwitwete THIEL und 1823 wird Paul geboren, da ist seine älteste Halbschwester 33 Jahre alt.
Christophs ältester Sohn Christian (*1793) nimmt sich 1816 Wilhelmine DWELK (*1796) zur Frau. Sechs Schmadtke-Kinder werden geboren: Caroline (*1817), Justine (*1818-1899), Gottfried (*1820), Wilhelmine (*1823), Ernestine (*1830, oo 1858 in Norkitten Michael SIMONEIT) und Louise (*1834).
Christophs Sohn Christoph (*1799) ehelicht 1820 Charlotte WEDER (*1801-1848).Von ihren acht in Lenkendorf geborenen Kindern finde ich keine weiteren Spuren: Gottfried (*1821), August (*1823-1868, oo Justine REES *1822-1869), Benjamin (*1826), Ferdinand (*1829), Wilhelmine (*1832), Wilhelm(*1835), Emilie (*1837) und Lysette (*1840).
Christophs Sohn Johann (*1802) feiert 1833 mit Wilhelmine Maria Elisabeth MOTZKUS (*1814), Tochter von Christoph MOTZKUS und Catharina WILLUHN in Petrineusass, Hochzeit. Zuerst wird ihnen 1834 eine tote Tochter geboren. Es folgen im Verlauf noch 6 weiter Kinder: Amalie (*1835), Justine (*1838, oo 1863 Ferdinand REHBERG und lebt in Georgensfelde), Gustav (*1841), Ernestine (*1845), Auguste (*1848) und Louise (*1852).
Christophs Sohn Carl (*1805) verheiratet sich 1834 mit Caroline MOTZKUS (*1808). Ich finde keine weiteren Spuren von ihnen.
Bei aller Sortierkunst ist dies das Ergebnis einer hindernisreichen Zuordnung, aber es bleiben immer auch Rätsel zurück. Die Liste ist noch lang und es gibt noch reichlich Schmadtkes, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, verwandtschaftlich aber verwoben bleiben. Verbindungen von SCHMADTKE mit einer Reihe (außer den bisher genannten) anderer Namen sind gegeben:
ARENSWALD, CEGAU, EGGERT, ERDMANN, GRUHN, KROHN, LINDENAU, MEYER, PANTELEIT, WILLUHN, SEEWALD, SUESS, TEDDERAU, THAL, THIM, WALLAT, WIND, ZIPPLIES.
Nochmal wieder zurück zu George SCHMADTKE und Anna Maria LUTZKI. Von ihren Kindern habe ich nur einen für mich entscheidenden Anschluss über den Sohn Daniel (*1790), der 1824 in Reddenau Charlotte SCHOEPPER / SCHIPPER geheiratet hat und fortan in Grünwalde, Preußisch Eylau lebt. Wie ist er da nur hingekommen? In Grünwalde werden acht ihrer Kinder geboren: Wilhelmine (*1825-1825), Friedrich (*1826-1884), Caroline (*1829), Charlotta (*1831-1840), Lovisa (*1834), Rudolf Daniel (*1836), Carl August (*1839-1910) und Amalie (*1841). Über jenen Rudolf Daniel setzt sich die für mich interessante Linie in Grünwalde, Landsberg und Kanditten fort. Aber das ist wieder eine andere Geschichte für sich.
Sollte jemand beim Lesen Anschlüsse an die eigene Vorfahrenlinie finden, wäre ich über einen Hinweis an dieser Stelle oder per mail durchaus dankbar und interessiert.
Martin Haupt-Scharfenstein

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Dienstag, 28. Oktober 2008

Ein Spaziergang am Wannsee mit kulturhistorischen Seitenblicken

Auch der gestrige Samstag war so frisch, leicht frostig, tiefblau und sonnig. Ich traf mich mit einer Freundin nach langer Zeit mal wieder zu einem Spaziergang: den Wannsee entlang vom alten Strandbad aus Richtung Norden bis zum Grunewaldturm. Sabine arbeitet als Journalistin, als Autorin fürs Radio, schreibt aber auch mal an einem Buch. Vor einigen Jahren hatte sie meine Familiengeschichte als Thema für ein Feature verarbeitet. Was bedeuten traumatische Ereignisse durch Krieg, Flucht und Vertreibung für die nachfolgende Generation? Wirkt sich diese Vergangenheit in irgend einer Form aus auf die weitere Lebensgestaltung der Kinder? Interviews mit meinen Eltern, von mir und meinem jüngeren Bruder wurden zu einer halbstündigen Radiosendung verdichtet.

Wir lieben es beide an frischer Luft mit den Beinen auch den Geist zu bewegen, erzählen uns allerhand aufgesammelte Eindrücke, Ideen und Pläne. Eines ihrer Spezialthemen sind eben auch Krieg und die Folgen: sie hat mit vielen Opfern und auch Tätern z.B. aus den Balkangebieten oder Tschetschenien gesprochen, Psychologen und Ärzte interviewt, war z.B. mit deutschen Soldaten in Kabul ... Und immer wieder die Fragen nach dem Warum und Wieso sich Menschen so etwas ständig antun.

Der Spaziergang führte uns auch an Schwanenwerder vorbei, eine Insel im Wannsee, die über einen kurzen Damm bequem erreichbar ist. Traumhafte Lage: ringsherum in der Sonne glitzerndes Wasser, die in der Ferne sichtbaren Ufer hügelig kiefernbewaldet und alles in dieses spezielle fast italienisch anmutende Licht getaucht. Jene kleine Insel wurde ab ca. 1900 mit einigen schloßartigen Villen incl. Gärtner- und Bootshäuschen usw. bebaut. Die Crème de la Crème von Berlin ließ sich hier standesgemäß nieder. Ab 1933 gab es abrupte Besitzerwechsel und dann sind die prachtvollen Wohnsitze auf Schwanenwerder häufig Kulisse von Wochenschauberichten, wenn z.B. Herr Göbbels dort zum Geburtstag seiner Frau Grüße des Führers empfängt oder so ähnlich. Geschichte ist hier in Berlin ja noch überall sichtbar, wenn man ein Gedächtnis und einen Sinn dafür hat...

Am Endpunkt unserer Wanderung steht dann ein Architekturdenkmal aus noch Wilhelminischer Zeit: der Grunewaldturm, ein roter Ziegelbau spitzig über die Bewaldung in den Himmel ragend mit einem atemberaubenden Ausblick. Historisch harmlos aus noch unbefleckt glanzvoller Zeit... Nun ja - in der sozusagen Belétage des Turms befindet sich ein offenes Gewölbe, sakral anmutend mit Goldmosaik verziert und einer überlebensgroßen Statue von Kaiserwillemeins. Der Turm wurde zur Verherrlichung von Kaiser und König anno Domini 1900 errichtet, so weithin an den Turmwänden durch entsprechende Inschriften sichtbar. Das historische Kurzzeitgedächtnis schien die damals gut 50 Jahre zurückliegenden Ereignisse nicht mehr erinnern zu wollen. 1848 mußte Prinz Wilhelm auf Befehl seines regierenden Bruders König Friedrich Wilhelm IV. Preußen incognito Richtung England verlassen, um die revolutionären Umtriebe in Berlin nicht noch weiter zu provozieren. Er war damals als "Kartätschenprinz" verrufen, weil er wütend in die unbewaffnete Menge schießen ließ. 10 Jahre später übernahm er dann die Regierung für seinen kinderlosen Bruder, der zunehmend altersdement sein Amt nicht mehr ausüben konnte. Im Zusammenwirken mit dem auf seine Art genialen Bismarck konnte König Wilhelm durch gerissene politische Schachzüge und drei kühn inszenierte Kriege nach ca. 12 Regierungsjahren endlich (fast) alle anderen souveränen deutschen Staaten unter preußischen Vorsitz zum sogn. Deutschen Reich zusammenraffen und sich die Kaiserkrone aufsetzen (lassen) ... 1871 im Spiegelsaal zu Versailles, einem Ort, der kaum acht Jahrzehnte früher die Kulisse für das schmachvolle, blutige Ende einer glanzvollen Herrscherdynastie abgab! Ein auch symbolisch zutiefst fragwürdig inszenierter Coup aus meiner Sicht!

Wie schon fast traditionell üblich in der Familie Hohenzollern, war das Verhältnis von Vater Kaiserwillem und Sohn Prinz Friedrich (verheiratet mit Princess Royal Victoria, Tochter jener gleichnamigen Queen of England, Empress of India etc.) nicht das Beste. Der Kaiserpapa hat sich jedwede Beteiligung seines Sohnes an den Regierungsgeschäften strikt verbeten. Sohn Friedrich blieb nichts anderes übrig, als fern der Heimat auf seiner Luxusjacht mit seiner Princess Royal vor irgend einer Riviera zu kreuzen, obwohl so große Hoffnungen auf ihn und seine liberalere, weltoffene Haltung gesetzt wurden. Als dann endlich 1888 der hochbetagte Willem in die ewigen Jagdgründe einging, war sein Sohn schon so schwer an Kehlkopfkrebs (!) erkrankt, daß er seinen Vater als Kaiser Friedrich III. nur um 100 Tage überlebte und sein junger, ebenso ehrgeiziger wie unerfahrener Sohn, Willemzwei genannt, drankam mit Regieren, der dann auch ziemlich bald den Zorn seiner Großmutter in London erregte: "Nasty Willy...."

Das gespannte Familienverhältnis zwischen englischer Oma und preußischem Enkel trug unter anderem bei zu dem gesamteuropäischen Spannungsverhältnis der Nationen, welches dann in den Weltkrieg führte, der später zur besseren Unterscheidung mit der Ziffer 1 belegt wurde, dessen Folgen dann nahezu zwangsläufig in das Ereignis gleichen Namens Nr. 2 führte, dessen Folgen sich wiederum heute in unseren Familiengeschichten manifestieren.

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Grenzstreitigkeiten in einem ostpreussischen Dorf 1693: Kalkeim

Das Dorf, worum es hier geht, liegt etwa 20 km östlich von Königsberg in den fruchtbaren Niederungen am nördlichen Pregelufer und heißt Kalkeim. Das Dorf besteht im wesentlichen nur aus einigen wenigen größeren Höfen. Die Namen der Besitzerfamilien bleiben teilweise über Jahrhunderte immer die gleichen: Schweichler, Wangnick, Moldähncke, Böhncke... Um diese Namen geht es unter anderem in dieser Geschichte, die sich zum Ende des 17. Jh. abspielt und Eingang gefunden hat in die Verwaltungsakten der Region, so daß ich sie nach über 300 Jahren im Berliner Staatsarchiv finden konnte. Ich gebe hier die buchstabengetreuen Abschriften aus jenen Akten wieder. Vereinzelt werde ich kurze Erläuterungen einfügen bzw. am Ende anfügen.

Bericht der Untersuchungskommission über die Grenzstreitigkeiten zwischen Hans Böhnicke, Heinrich Schweichels Wittwe und Hans Wangnick zu Kalkeim 1697

Nachdem Se. Churfs. Durchl. Zu Brandenburg, Unser Allergnädigster Herr, Uns zu ende unterschriebenen nahmentlich dem Ober-Appellation-Gerichts Raht und Verwesern der Ämpter Neuhausen und Labiau, dem Preußischen Jacht-Raht, dem Preußischen Cammer-Verwandten Schröteln, und dem Ampt-Schreiber Zu Neuhausen sub dato Königsberg d 12ten July 1697 Gnädigst befohlen, daß Wir die Zwischen

Hans Böhnicke, dann Heinrich Schweichels Wittwe und Erben, nebst Daniel Wangnick, allen Einwohnern und Nachbahren Zu Kalkeim Waldauschen Cammer-Ampts
schwebende Strittigkeiten, umb deren willen Sie Zum theil bereits ans Churfl. Hochadl.Hof-Gericht in schäd- und verderblichen Process gerathen, untersuchen, und Sie auß einander Zu bringen Uns angelegen seyn laßen solten;

Wie erst benennte drey Commissarii dannenhero (: weil der Ampt Schreiber Zu Neuhausen anderer AmptsVerrichtungen halber der Commission Zwar nicht beygewohnet, doch diesen Vergleich nachgehends mit beliebet, und dahero auch mit unterschrieben hatt :) solcher Gnädigsten Verordnung zu schüldigster Folge den jüngst-verwichenen 20sten und 21sten Sept: solche Uns aufgetragene Commission in Loco fürgenommen, die Örter am Wege und auff ihren Wiesen, alß worüber Sie insonderheit Streit gehabt, Zuforderst Selbst genau besichtiget und in Augenschein genommen, und alß solches geschehen, die Parthe sowoll in eigenen Personen, alß durch ihre Assistenten, nehmlich den von dem Professore Publico und HoffGerichts Advocato Hn Doctor Jacob Zetzken, alß Schweichelschen und Wangnickschen Patrono Causae substituirten Advocatum Hn Wolfgang Joel Michaelis, und den HoffGerichts Advocatum Hn Daniel Schelwig von seiten des Böhncken, wie nicht weniger den mit Zugegen gewesenen itzigen BurgGrafen und Arendatorem des Churfürstl. Cammer-Ampts Waldau, Hn Michael Steppuhnen, gnüglich gehöret, ist entlich durch die Gnade des lieben Gottes, auff weitläuffig mit Mühsahmkeit und möglichen Nachdruck beyden Partheyen gethanen Remonstrationen oder Fürstallungen Zwischen Ihnen mit ihren freyen und ungezwungenen guten Willen folgender beständiger Vergleich abgehandelt, getroffen und geschloßen worden:

Anfangs und erstlich, da Sie darüber strittig gewesen, daß Hans Böhncke den vom Dorff Kalkeim werts, und zwar auß der Seiten gegen die auff einen geringen Hügel stehende Zwo hohe Linden von undenklichen Jahren auf der Lincken seiten etwa Zwey und Zwantzig gemeiner Schritte von der Scheide oder Scheitel-Fahr, welche von erwehnten beyden Linden gerade hinauf nach Norden werts gehet, und die Böhnkische und Schweichelsche Zwey Stücke Äcker scheidet, gleichdurch über des Böhncken Acker mit erwehnter Scheitel-Fahr parallel gegangenen Fahrweg an das äußerste Theil seines dasigen Stück Ackers, nehmlich dicht an die itztgedachte Scheitel-fahr geleget hatt: Wodurch es dann geschehen, daß, da etwa 200 Schritte von denen gemeldeten Linden der Acker und Boden eine Niedrigung oder Sietnüs hatt, und dahero biß auff 26 Schritte in die Länge daselbst bey eintziger Näße ein Gequebbe, und also schlim zu fahren wird, auß der Gelegenheit die reisende Leute, insonderheit, nachdehm Böhncke an der Lincken Seite des angezeigten Neuen Weges vom dorffwerts her Pfähle geschlagen gehabt, vor der bemercketen Sietnüs im Hin- und Herfahren auf das Schweichelsche, alß höher gelegene Land außgewichen, und also, umbden schlimmen Ort zu vermeiden, über den biß dato von aller Dienstbahrkeit frey gewesenen Schweichelschen Acker biß auf Zwo Riggen in die Breite, und etzliche Zwantzig Schritte in die Länge verfahren haben :

Ist dieser Streit der gestalt abgethan, daß Zwar der Neue Weg an der obangedeuteten Scheitelfahr auff des Böhnken Acker (: weil er daselbsten von undenklichen Jahren gewesen :) bleiben, doch aber nicht so enge, sondern acht Schuh breit in gerader Linie, und 16 Schuh in anfractu, oder in denen beyden Buchten, Krümmen und Wendungen, an dem Ort aber, wo die mehrgedachte Seitnüs sich befindet, so viel Raum auff der Lincken Seiten des Böhnickschen Ackers, damit der reisende Mann auf die rechte Seite und auff den Schweichelschen Acker (: alß welches hiemit eigentlich verbothen wird :) nicht ausweichen dörffe, gelaßen, auch auff erwehnter Lincken Seiten weder verfärt noch verpfählet, sondern hingegen auff der rechten Seiten an der Scheitelfahr gewiße niedrige, etwa nur anderthalb Schuh hohe Pfähle in folgender maaß und Distance, nehmlich von denen obbenenneten Linden über zur Seiten anzufangen, nach der Bucht des Weges, so ohngefehr geradezu in die Länge Hundert Zehen Schuhe außträget, einen und den ersten Pfahl, drey Hundert Viertzig Schuh von diesen ersten Pfahl, den andern, dreißig Schuh davon den dritten, Viertzig Schuh davon den Vierten, Zwanzig Schuh davon den Fünfften, drey und Zwanzig Schuh davon den Sechsten, Zwey Hundert und fünfzig Schuh da von den Siebenden, Hundert Schuh davon den Achten, und entlich zwanzig Schuh davon den Neundten Pfahl zusetzen, und Er, seine Erben und Nachkommen solche Pfähle zu ewigen Zeiten zu unterhalten, nebst deme auch oben werts, wo man Zur Lincken auff einer mercklichen Bucht nach Waldau außweichet, so viel Raum, damit man mit Vier Pferden auff des Böhncken Acker, ohne den Schweichelschen zuberühren, in den Weg, welcher Zur rechten Seiten gehet, wenden und fahren könne, zulaßen schüldig, und von nun an und Zu allen künfftigen Zeiten, weder Er, Hanß Böhncke oder seine Erben, noch die künfftige Besitzern darunter eintzige Veränderung zumachen, oder etwas neues fürzunehmen nicht befuget noch berechtiget seyn sollen.
Zum andern. Nachdehm die Kallkeimer denen angrentzenden beyden Dorffschafften Pogauen und Nogauen bißhero nach ihren am Pregel gelegenen Wiesen über ihre, der Kallkeimer Wiesen (: alß nach welchen erwehnte beyde Dorffschafften sich über die Graben selbst Gespicke gemacht :) jährlich einen weg gegönnet und zugelaßen, der Hr Burg-Graf Michael Steppuhn auch auß dem Ampte darüber gewiße Abschiede von Anno 1687, den einen vom 3ten Jul: den andern vom 30sten Oct: produciret; wobey von der Schweichelschen und des Wangnicks Seiten fürgestellet und geklaget worden, was maaßen Böhnicke nun etzliche Jahre sich über seine Wiesen fahren zu laßen geweigert;

Alß ist dieser dergestalt verglichen; daß es wegen der Brücken und Gespicke fernerhin so, wie es biß dato gewesen, gehalten werden, und da bey sein Bewenden haben, denen erwehnten Beyden Dorffschafften aber der Weg nach und von ihren Wiesen umbzech, nehmlich das nägste 1698ste Jahr über des Böhncken, Anno 1699 über die Schweichelsche, Anno 1700 über des Wangnicks Anno 1701 über des Heinrichs Moldäncken Wiesen, und so ferner hin zu allen künfftigen Zeiten der gewöhnliche Fahrweg gelaßen werden; derjenige Nachbahr aber, über deßen Wiesen der Weg gehet, in eben demselben Jahr das Schultz-Ampt haben, und dabey gantz allein für sich, zu möglicher Ersetzung für den Schaden, welchen er leyden muß, die sogenannte Schultzen-Wiese genüßen und augsten solle. Und bey solcher Bewandniß, da alle Vier Wirthe gleiche Beschwerde auff ihren Wiesen tragen müßen, ist Ihnen auch gleicher Nutzen zu gönnen :

Sollen demnach alle Vier, ungeachtet derer obangezogenen Ampts-Abscheide de Anno 1687 (: deren Sie sich durch diesen Vergleich in so weit begeben :) die Vor- und Nachweyde auff derer obbenenneten beyder benachbahrten Dorffschafften Wiesen, ohne daß einer ohne den andern darunter einen Vorzug zu pretendiren und zu begehren oder auch denen anderen zum Schaden und Nachtheil sein Vieh abgesondert, auf solchen Wiesen zu weyden befugt seyn solle, zu genießen, und sich deren gleich durch ohne Unterscheid zugebrauchen berechtigt seyn.

Wie denn auch drittens sonstenwegen der Gemeinen Weyde zu allen künfftigen Zeiten es dergestalt zu halten, daß, wie alle Vier Wirthe ihre Äcker im gemenge, und zusammen einen gemeinsamenHirten haben, niemand den andern von seinem Stoppel abhalten, oder auch sein Vieh absonderlich auf seinen Stücken weyden, sondern die gantze Heerde allemahl bey einander bleiben, und von dem Gemeinen Dorff-Hirten auff das Stoppel des einen sowoll alß des andern ohne Unterscheid getrieben und gehütet werden, auch keiner dem andern zum Vorfang seine Stücke durch sein Vieh und Pferde vorhero abfretzen zu laßen befuget, sondern seine Feld-Stück-Nachbahren gleicher Weyde genüßen zu laßen schuldig seyn solle.

Viertens sollen hiemit alle unter Ihnen angesponnene Processe, sowoll wegen geklagter Injurien alß sonsten gäntzlich abgethan seyn. Gestalt dann, nachdehm die Churfürstliche Commissarii denen Schweichelschen Erben und dem Wangnick eigentlicher fürgestellet, worinnen Sie mit Worten dem Böhncken zu nahe getreten und zu viel gethan, dieselbe gutwillig hinzugetreten, und sich mit dem Böhncke, mittelst zu erst geschehener freundlicher Handreichung Christlich vertragen und außgesöhnet; alß wodurch nicht allein die geklagte Injurien auß dem Grunde abgethan, sondern von allen Theilen (: inmaßen auch Moldähncke sich so fort alles gefallen laßen :) daß Sie hin künfftig gute freund- und Nachbarschafft unter sich halten und pflegen wollen, versprochen und angelobet worden.

Da auch fünfftens die Schweichelsche Wittwe und Erben nebst dem Wangnick wieder den obbenenneten Herrn BurgGrafen verschiedene Klagpuncta überreichet, und die Churfürstliche Commissarii bey deren genauer Examinirung befunden, daß Sie Ihn Ungebühr damit graviren wollen, und Ihm zu viel gethan, haben Sie auß geschehene behöriger Fürstellung und der über von den Commissarien gegebenen Verweiß, nachdehm Herr BurgGraff sich dahin begleiten laßen, daß er solches, wie er anfangs reserviret, Rechtlich an Ihnen nicht suchen wolte, mit erwehnten Herrn BurgGrafen sich durch Christliche Bitte umb Verzeihung auch außgesühnet, und hatt Er Ihnen auß Christilichen Hertzen nicht allein alles gerne verziehen und vergeben, sondern auch auß eigener guten Bewegung hin künfftig, insonderheit alß Arendator des Cammmer-Ampts Waldau und in gewißer Maaß Jurisdictionarius über Sie zu guten Vergnügen und wollgefallen der Churfürstlichen Commissarien allen guten Willen zu bezeugen versprochen.

Wie nun entlich dieser Vergleich dergestalt obstehend getroffen und festgesetzet; Alß haben sich die Litigirende und bißhero strittig gewesene Partheyen, nicht weniger auch der Moldähncke einer gegen den andern wollbedächtig erkläret, daß Sie hinkünfftig den vorigen und der gleichen Streit nimmer wieder rege machen, sich einer dem andern nicht fürwerffen, sondern gute Christliche Nachbahrschafft mit ein ander pflegen und halten, und es bey diesem Vergleich, insonderheit, da derselbe im Hohen Nahmen Sr. Churfürstl. Durchl. getroffen, in alle wege bleiben und bewenden laßen, auch wenn jemand wieder einen oder den andern Punct handeln, oder ohne Grund und erhebliche Uhrsach, und ohne des AmptsVorgängige Erkentniß zu thun sich unterstehen würde, Sie unter ein ander sich jedes mahl zu einem Vadio oder zu einer willkührlichen Straffe von Zehen Marck, alß welche der unbillig wieder diese Verglichene Puncta streitende, oder etwas unternehmende, denen andern, ohne Wiederrede und Rechts-Hülffe zu erlegen schuldig seyn soll, unter sich mit gutem Bedacht verbunden haben wolten. Zu mehrer Festhaltung ist dieser Vergleich von Uns alß obengeführter maaßen verordneten Commissariis unterschrieben und untersiegelt, auch denen Parthen und Interessenten heimgestellet, ob Sr. Churfürstl. Durchl. Sie umb deßen Gnädigste Confirmation unterthänigst anflehen wolten.

Geschehen ist dieses alles zu Kallkeim im Cammer-Ampt Walldau d 21sten Sept: und vollzogen in Königsberg d 2 Oct: des Ein tausend Sechs Hundert und Sieben und Neuntzigsten Jahres.
Siegel Joh Georg vGötz
Siegel Jacob Klein<>
Siegel George Heinrich Schrötel
Siegel Jacob Laudieng(?)


~ ~ ~ ~ ~

Durchlauchtigster, Großmächstigster Churfürst, Allergnädigster Herr;
Er:Churfürstl: Durchl: wird annoch allergnädigst beywohnen, welcher gestalt Selbte auf unser unterthänigsterr Gesuch zu untersuchung und entscheidung derer mit dem Hans Behncken gehabten Streitigkeiten eine Commission, wofür wir nochmaln unterthänigsten Dank abstatten, in Gnaden verordnet : Wann wir dann, nachdem sothane Streitigkeiten von denen verordneten Commissariis untersuchet, gäntzlich aus einander gebracht, und beykommender Vergleich zwischen uns abgehandelt, getroffen undt geschloßen worden; als bitten Er: Churfürstl: Durchl: wir hiemit unterthänigst Selbte geruhen gnädigst, denselben aus Landes Fürstl: Macht undt Gewalt in Gnaden zu confirmiren. In erwartung allergnädigter Gewierung ersterben wir
Er: Churfürstl: Durchl: unterthänigste
Daniel Wangnick
Michael Schweichel


~ ~ ~ ~ ~

Wir Friderich der Dritte von Gottes Gnaden Marggraff zu Brandenburg :p. (cum tit:) fügen hiemit männiglichen, insonderheit denen daran gelegen, zuvernehmen, welcher gestalt Uns ein gewisser Vergleich, so zwischen dem Hanß Bönken, dem Heinrich Schweichels Witiben und Erben nebst Daniel Wangnick und denen Einwohnern zu Kalkeim Waldauschen Cammerambtes durch Vermittelung Unsere dazu verordneten Commissarien, getroffen, unterthenigst eingereicht worden, mit demütigster Bitte,

Wir geruheten denselben durch Unsere gnädigste Confirmation für genehm zuhalten und zu bestätigen; Wann wir dann diesem billigen Gesuch Raum und stat gegeben, Als haben Wir vorerwehnten Vergleich folgenden Inhalts: (inseracur)
Aus Höchster Landsfürstlicher Macht und OberHerrschaft hiedurch Confirmiret, ratihabiret und bestätiget, wollen auch daß dene über iedezeit steiff, fest und unverbrüchig gehalten und nich dawider gehandelt werden solle.
Unterschriften verschiedener Oberräthe

Im Adressfeld: Confirmatio des Vergleichs zwischen Hans Böhnicken, Michel Schweichel Wittwen und Erben nebst Daniel Wangnick und denen Einwohnern zu Kalkeim, Waldauschen Cammerampts. D 7 Augusti 1698 ./.

~ ~ ~ ~ ~

Friedrich der Dritte, Churfürst ~Lgetr (Liebe Getreue) Die Dorffschafft Kalkeim aus dem Cammerampt Waldau klaget vermittelst der Inlage über die zwo Dorffschafften Pogauen und Nogauen daß sie denen vor euch behandelten rebus transactis, des darauff gesagten vadii ungeachtet contraveniren, daneben Thätlichkeiten verübet, ihnen fünff Ochsen weggenommen, und selbige Unsere Verordnung zuwieder annoch vorenthalten, wobey sie unterthänigst gebeten, die Sache an euch, weil ihr davon vollkommen Wißenschafft habet, zu remittirn. Demnach ergehet an euch Unser gnädigster Befehl, daß ihr, ob der res transacta übertreten seyn, untersuchet, solches falles das vadium von dem verbrechenden Theil exigiret, daneben die Beklagte, daß sie die genommene Ochsen sofort zurück gebe, anhaltet, und im übrigen die res transactas in ihrer Krafft erhaltet.
anUnseren zu Neuhausen und Labiau TribunalsRath von Götzen ; JagdRath KleinenCammerVerwandter Schrötel und Amptsschreiber zu Neuhausen
Gf. von ~ ~ ~ (nicht lesbar)
Sämtl. §§§ OberRäthe. d 19 Sept. 1698.


Bemerkenswert an dieser Geschichte finde ich, wie zu damaliger Zeit mit solchen Streitigkeiten umgegangen wurde: Man hat von höchster Stelle in die gerichtlichen Verfahren dergestalt eingegriffen, daß sich eine Kommission persönlich über die Ursachen in Kenntnis setzte, kompetent einen Vergleich aushandelte und die streitenden Parteien wirksam zu befrieden verstand. Man hat die Sache nicht einfach dem Lauf der Dinge vor den Gerichten überlassen, bis sich die streitenden Parteien möglicherweise finanziell ruiniert hätten und so der Streit zum Erliegen gekommen wäre. Es ging um die Erhaltung des Friedens im Lande und letztendlich darum, daß es der Kurfürstlichen Kasse besser bekommt, wenn die Untertanen Wohlstand erarbeiten und Steuern zahlen. Dafür haben die Staatsbeamten gelegentlich auch unbequeme Ortstermine auf sich genommen.
Solch ein Einsatz scheint heutzutage leider nicht mehr üblich zu sein...

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Montag, 27. Oktober 2008

Namensliste Genealogie in Ostpreussen

Unsere gesamten Vorfahren kommen aus dem ehemaligen Ostpreußen. Heute gehört die Region zum nördlichen Polen bzw. zum Kaliningradskaja Oblast (so sagen die Russen zu ihrer Enklave zwischen Polen, Litauen und der Ostsee). Vielleicht hat der eine oder andere Leser ähnliche Wurzeln und ist neugierig, ob es vielleicht Überschneidungen in den Ahnenlinien gibt. Dazu habe ich im Folgenden eine Liste mit den wichtigsten Namen zusammengestellt.

Zur besseren Orientierung sind die jeweiligen Wohnorte bzw. Kirchspiele noch hinzugefügt. Im Wesentlichen geht es um die Gebiete Samland, Kreis Friedland/Bartenstein, Kreis Pr.Eylau, Kreis Gerdauen, Kreis Heiligenbeil. Wir freuen uns sehr, wenn auf diesem Wege Anknüpfungen, Nachfragen, Kommentare oder Ergänzungen möglich werden oder anderen mit unseren Daten weitergeholfen werden kann ...

Es ist aber auch möglich, die genauen Verzweigungen mit vielen weiteren, hier nicht namentlich erwähnten Seitenlinien meines Stammbaums online einzusehen: http://gw5.geneanet.org/viktorh oder
http://gw5.geneanet.org/viktorh?lang=de&m=N&tri=A

Die meisten Familenzweige ließen sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, einige auch bis in 17. und sogar 16. Jh.  Je nach dem was die Quellen hergeben, wird die Arbeit fortgeführt und ergänzt. Über den Stand der Dinge bzw. "work in progress" wird laufend in diesem BLOG berichtet werden.


ADLER, Schippenbeil (kommt aus dem Kreis Heiligenstadt, in Schippenbeil eingeheiratet)
AUGSTEIN, Wulfshöfen (Kirche Kaymen)
BAERING / BEHRING / BÖHRINGK, Poggenpfuhl, Bruch (Kirche Schönwalde, Samland); weitere BEHRING-Linien im Kirchspiel Schaaken
v.BERG(e/n), Wilditten (Kirche Caymen, Samland)
BERGAU, Weischkitten (Kirche Rudau), Barthenen, Sasslaucken, Diewens (Kirche Pobethen, Samland)
BINDER, Grünwalde (Kirche Landsberg, Pr.Eylau)
BLANK, Carmitten (Kirche Powunden)
BLOECH, Diewens (Kirche Pobethen), Transsau (Kirche Laptau)
BORZ / BORTZ, Grünwalde (Kirche Landsberg)
BRÄUTIGAM, Damerau (Kirche Schaaken)
DEWIEN, Bothenen, Lothenen, Kadgienen (Kirche Caymen)
DIETRICH, Pobethen (Samland)

ENG(e)LIN, Poggenpfuhl, Kadgiehnen (Ksp.Schönwalde), Caymen
FRENTZEL, Stadt Schippenbeil
GELAICK / GE(r)LEIK, Stombeck, Willkeim, Lobitten (Kirche Powunden), Kiauten (Kirche Laptau)
GREGER, Schippenbeil
GRIBB(e), Stombeck (Kirche Powunden)
GROHNERT, Cobjeiten, Samland
GROMBALL, Biegiethen, Schupöhnen (Kirche Pobethen)
GROWITZ, Wilkeim (Kirche Powunden)
HAUPT, Stadt Schippenbeil
HAUPT, Sarkau, Kurische Nehrung (HAUPT-Linien sind nicht miteinander verwandt)
HAMMOSER, Goythenen, Norgau (Kirche Pobethen, Samland)
HEMPEL, Brasdorf (Krsp. Schönwalde), Serwethen (Kirche Caymen)
HOLLACK, Christophsdorf (Kirche Muldszen, Kreis Gerdauen)
HÜGEL / HEUGEL, Schippenbeil

ISERMENGER / EISERMENGER, Poggenpfuhl (Ksp. Schönwalde, Samland)
KELLMANN, Schippenbeil, Leunenburg
KERENCKIHN / KIRENKIHN / KERKIHN / KERNEKIEN Ksp. Caymen
KOBBER(t), Diewens, Barthenen (Kirche Pobethen)
KOLKOWSKY / KALKOWSKI / KLAKOFSKI, Damerau (Kirche Schaaken)
KOMM, Michelau (Kirche Rudau)
KORWE(c)K, Pobethen (Samland), Tromitten (Kirche Arnau)
KOWITZ, Christophsdorf (Kirche Muldszen, Kreis Gerdauen)
KRAUSE, Damerau (Kirche Schaaken)
KRAUSE, Willkeim (Kirche Powunden) -nicht mit KRAUSE Damerau verwandt-
KUKUK, Christophsdorf (Kirche Muldszen, Kreis Gerdauen)

LENGNICK, Sielkeim (Kirche Caymen)
LORENZ, Twergaiten (Kirche Powunden)
LUTZKI, Christophsdorf, Kirche Muldszen (Kreis Gerdauen)
MATZ, Kröligkeim, Krs.Gerdauen (Kirche Löwenstein)
MEY, Landsberg, Krs. Pr.Eylau
MOTZKUS, Christophsdorf (Kirche Muldszen, Kreis Gerdauen)
MÜLLER / MOELLER, Schippenbeil; Kröligkeim (Kirche Löwenstein)
MÜLLER, Damerau, Gallgarben (Kirche Schaaken)
NAPIWOTZKI, Schippenbeil - Wurzeln reichen wahrscheinlich nach Westpreussen
NEUMANN / NIEMANN, Kalkeim/Kalckeim (Kirche Heiligenwalde, Samland)
NEUMANN, Nickelsdorf (Kirche Schaaken)
NITSCH, Kröligkeim (Kirche Löwenstein), Kreis Gerdauen
PANGERITZ / PANGRITZ, Schippenbeil, Langendorf
PAWEL / PAWILL, Christophsdorf (Kirche Muldszen, Kreis Gerdauen)
PETERSO(h)N, Sielkeim (Kirche Caymen), Labiau, Gr.Bärwalde
PETRUSCH(e), Bruch (Kirche Schönwalde)
PLASCHKE, Eichenau (Kirche Langheim)
POHL, Michelau (Kirche Rudau)
POTTRICK, Windkeim (Kirche Bladiau)
PRANG, Trentitten (Kirche Laptau)

QUANT, Schönwalde (Samland)
QUANDT, Kröligkeim (Kirche Löwenstein)

RAKAU, Willkeim (Kirche Powunden)
RIECHERT, Germehnen (Kirche Schaaken)
ROHDMANN / ROODMANN, Regehnen (Kirche Pobethen)
RÖBBE, Bladiau (Krs.Heiligenbeil)
ROSE, Stadt Schippenbeil
RUSCHNICK (Rauschnick), Germehnen (Kirche Schaaken)
SAGER, Stadt Schippenbeil
SANTRAU / SANDTRAU, Serwethen/Selwethen, Bothenen (Kirche Caymen)
SCHERSCHIN(c)K(e), Poggenpfuhl (Kirche Schönwalde)
SCHIKORR / SZIKORR, Canditten (Krs.Pr.Eylau); Gallingen
SCHIPPER / SCHOEPPER, Reddenau; Grünwalde (Kirche Landsberg)
SCHMADTKE, Grünwalde (Kirche Landsberg); Canditten, Krs. Pr.Eylau; Christophsdorf (Kirche Muldszen)
SCHMIDTKE, Bartehnen (Kirche Pobethen)
SCHUL(t)Z, Regehnen, Grünhoff, Ladtkeim, Eisliethen, Begiethen (Kirche Pobethen)
SCHULTZ, Poggenpfuhl (Kirche Schönwalde) - SCHULTZ-Linien sind nicht miteinander verwandt
SCHWARZ, Grünwalde (Kirche Landsberg)
SCHWEICHLER, Stombeck, Willkeim (Kirche Powunden); Damerau (Kirche Schaaken); Kalkeim, Schönwiese (Kirche Heiligenwalde), Sensseln (Kirche Caymen), Sarkau (Kurische Nehrung)
v.SCHWICHEL(l/d/t), Niedersachsen (auch NL u. Baltikum) ab 1515 in Ostpreussen
SCHWILL, Weischkitten (Kirche Rudau)
SEDDIG, Willkeim (Kirche Powunden), Schmiedehnen
SIEGMUND, Neuhoff (Samland), Mantau (Kirche Arnau)
SPEER, Stantau (Kirche Quednau)
THIEL, Wilditten (Kirche Caymen)
THORUN, Senseln (Kirche Caymen)
TOLLNEY / TOLNAY, Serwethen/Sel(l)wethen (Kirche Caymen)
TÖRNER / TERNER, Ksp. Caymen/Schaaken
TRUN(t)Z, Arissau (Kirche Thierenberg)
WERNER, Waxnicken, (Kirche Caymen)
WIECHERT, Michelau (Kirche Rudau)
WULFF / WOLFF, Kröligkeim (Kirche Löwenstein),Krs. Gerdauen
ZILIAN, Schippenbeil; Landsberg (Pr.Eylau)
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Wir freuen uns über Anfragen: ViktorHaupt@aol.com

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Frauengeschichte(n) 1770

Einige Generationen und Jahrhunderte später ereignet sich in der gleichen Familie und am gleichen Ort eine ziemlich heikle Geschichte (siehe auch Frauengeschichte-n 1549). Wir befinden uns in der Regierungszeit von König Friedrich II. von Preußen um das Jahr 1770. Die Familie SCHWEICHLER hat sich im Laufe der letzten 200 Jahre in verschiedenen Linien über Ostpreußen verbreitet. Man erkennt aber leicht, von wo sie ursprünglich herstammen, denn im süd-östlichen Samland taucht der Name SCHWEICHLER häufiger auf. Im Kirchspiel Heiligenwalde entlang des nördlichen Pregelufers gibt es sie in Kalkeim, in Schönwiese, in Pogauen und in anderen Orten. Gegenüber auf der südlichen Pregelseite liegen die ausgedehnten Ländereien der Döhnhoffs mit Sitz auf Schloss Friedrichstein. Ein Zweig der Schweichler-Linie hat sich weiter nördlich in Sensseln im Kirchspiel Caymen etabliert, eine eng verwandte Linie sitzt in Damerau bei Schaaken.

Springen wir zurück auf das Kalkeimer Gut (nach heutigem Maß etwas über 100 Hektar umfassend), den Familienstammsitz seit 1542 und in die unmittelbare Nachbarschaft auf das kleinere Gut Schönwiese. Ausgangspunkt der Geschichte und meiner Recherchen war eine seltsame Anmerkung im Heiratsverzeichnis des Kirchenbuchs Heiligenwalde 1772:
>>Auf speciellen Befehl sr. Königl. Mai. de dato Berlin vom 14. Jan. 1772 mit seiner Vatern Bruder Frau Anna Regina einer verwittweten Johann Heinrich Schweichlerin, einer gebohrenen Neumannin d. 27. Feb. copulirt worden, nachdem der Process 6 Jahre lang mit vielen Kosten bestritten worden.<<

Die dahinterstehenden Daten sehen folgendermaßen aus:
1755 heiratet Johann Heinrich Schweichler (Schönwiese *06.02.1716) Anna Regina Neumann, eine schöne Nachbarstochter aus Kalkeim. Dieser Johann Heinrich Schweichler auf Schönwiese hat einen Neffen gleichen Vor- und Familiennamens in Kalkeim, welcher sich nach dem Tode seines Onkels seiner verwitweten Tante annimmt und jenen oben erwähnten "Process" führt, wo es um die Heiratserlaubnis geht. Nach geltendem Kirchenrecht wird eine solche Verbindung als Blutschande eingestuft und (zunächst) nicht erlaubt. Aus der Zuwendung zu seiner Tante entsprang ein Kind, welches erst nach diesem jahrewährenden "Process" durch die endlich erlaubte Heirat mit der Mutter "ehrlich gemacht" werden konnte. Nach der Eheschließung folgten noch weitere Kinder.

Ich fand die Geschichte so spannend, daß ich im Berliner Staatsarchiv lange nach den Gerichtsakten suchte. Ich dachte mir, so ein Fall muß doch nachhaltig aktenkundig geworden sein und irgendwo, sei es in Königsberg oder Berlin oder beiderorts, seinerzeit die Behörden beschäftigt und viel Schreiberei ausgelöst haben.

Zunächst fand ich in den für diese Region zuständigen Abteilungen nichts (Etatsministerium Kammeramt Waldau). Erst als ich ein halbes Jahr später wegen anderer Geschichten in einem Etatsministerium-Findbuch zum Amt Neuhausen blätterte, stieß ich auf einen interessanten Aktentitel:
>>Anna Regina Schweichler ./. Pfarrer Grünmüller zu Heiligenwalde wegen Vorenthaltung der Sacra 1770<<. Die Akte habe ich mir sofort zur Einsicht angefordert und fand zwar nicht den Prozeß um die Heiratserlaubnis, aber folgende Schreiben:

>> Allerdurchlauchtigster Großmächstigster König, Allergnädigster König und Herr ! Ewr: Königl: Majestaet muß ich allergehorsahmst vorstellen wie der Pfarrer Grünmüller zu Heiligenwalde mich alles meines Bittens und Vorstellens ohngeachtet nicht ad Sacra admittiren will, so daß ich mehr als ein gantzes Jahr durch desselben entbehren müssen (gemeint ist die Teilnahme am heiligen Abendmahl).
Wenn nun diese seine Weigerung eintzig und allein daher rühret, daß ich per judicata E:Königl:Brandenburgisch-Neuhausischen Justitz-Collegii für mein Vergehen mit dem Johann Heinrich Schweichler bestrafet worden, so zeiget doch eben dieses in copia angelegte Urtheil, daß ich demselben plenarie satisfaciret habe, hinfolglich auch diese Sache dergestalt abgethan, daß ich eben so wenig bey denen weltlichen Gerüchten für ein verbüssetes Verbrechen noch leiden, als von dem Prediger aus der Gemeinde ausgeschlossen seyn darf, durch welches unerlaubte Betragen er mich würklich in der Gemeinde zu einem Anstoß machet und mich in die allergrößte Bekümmerniß setzet. Ich muß hiebey nur den besondren Umstand anführen, daß Pfarrer Grünmüller alles anwendet, um mich zu einer anderweiten Heyrath zu bewegen, um wie er vorgibt, nur alle Neigungen gegen den in judicatis benannten Schweigler zu vertreiben, allein geschweige, daß ich hierin um einen gantz freyen Willen habe und nimmer mehr mich dazu entschliessen kann, so ist Pfarrer auch nicht im Stande mir jetzo mehr etwas strafbahres über diesen Punct nachzusagen und dahero verlange ich auch mit allem Rechte nicht als einen Gegenstand des Anstoßes und der Ärgerniß gehandelt zu werden.
Diesen Umständen nach werden Erw: Königl. Majestaet geruhen dem Pfarrer Grünmüller per Mandatum die geschärfte Aufgabe zu thun, mich ohne ferneres Weigern ad Sacra anzunehmen und nach denen Pflichten eines rechtschaffenen Seel-Sorgers auch für das beste meiner Seele die gehörige Sorgfalt zu tragen, die ich mich einer huldreichen Erhörung zuversichtlich getröste und in tiefster Devotion ersterbe
Erw: Königl: Majestaet
allerunterthänigst Iren gehorsahmste
Anna Regina Schweiglerin, gebohrene Neumannin / Christoph Ludwig Hofmann, Jud: Hoff Adv. <<

In der Akte fand sich auch das im obigen Text erwähnte Urtheil beigefügt:

In peinlichen Sachen wieder die verwittibte Cöllmerin Anna Regina Schweiglerin gebohrne Neumannin, und dem Johann Heinrich Schweigler Bluttschande betreffend, erkennet E: Königl: Preußisch Brand: Neuhausisches Justiz-Collegium für Recht:
Alldieweilen beyde Theile nicht leugnen mögen, daß ohnerachtet sie von ihrem Beicht-Vater dem Pfarrer Grünmüller in Heiligenwalde belehret worden, wie nach Innhalt der heiligen Schrift eine Heyrath zwischen des Vater-Bruder Frau verbothen, ihnen indessen frey stünde derhalb Dispensation zu suchen; und ob wohl E: Königl: Regierung diese gesuchte Concession per Rescriptum vom 4ten April 1766 gäntzlich abgeschlagen Sie sich dennoch gelüsten laßen unterm Vorwande einander bey der Wirthschaft zu assistiren, sich zusammen zu betten und in eine Blut Schande zu begehen, aus welchem Incesta sie einen Sohn erzeuget, der jetzo ins 3te Jahr gehet. Und ob wohl Sie vorgeben wollen daß diese Incestus lediglich unter Hofnung der erhaltenen Concession zur Heyrath geschehen, maaßen ihnen so wohl von ihrem hiesigen Mandatario als von Hof-Fiscal Meyer in Berlin die Versicherung gegeben worden, daß bisweilen und in dergleichen Fällen Dispensation erfolget, ihnen dieses demnach zu keiner hinlänglichen Entschuldigung gereichen kann, da Sie erst die gesuchte Dispensation abwarten sollen, und müssen; Als haben beyde Theile hieran höchst Unrecht und strafbahr gehandelt, und sollen dahero diese ihre Begünstigung ihnen zur wohlverdienten Straffe und Besserung andern Gottlosen Leuthen aber zur Warnung und Abscheu, jedoch in ansehung ob angeführter Umstände, und bezeugter Reue, und weil Sie durch eine Leibes-Straffe als Cöllmerin ihrer Wirthschafft sehr gestöhret werden würde, jeder mit 50 fl. Strafe ad Fiscum verbüssen, die Defension-Gebührn des Referendarii Wattmann a 6 fl. 15 gr. welche Anna Regina zu bezahlen hat, werden bestätiget. Die Unkosten und Urtheils-Gebühren imgleichen daß circa exeracutionem beyzulegenden Stempel-Papier a 16 fl. 7Gr haben beyde Theile zur Helfte zu bezahlen.
vKeith, Hahn, Machenau, DörfferCopia Friedrich König in Preußen cc

Unsern cc (Kurzformel: Unsern lieben Getreuen) Wir remittiren euch im Anschluß die zur Justification an unser Hof-Gericht von euch eingesandte Acta-Criminalia in Sachen Anna Regina und Johann Heinrich Schweichler, wegen begangener Blutt-Schande, jeglichem zuerkandte 50 fl. Fiscalische Strafe und die Bezahlung der Kosten betreffend und erkennen darauf hiemit Justificando für Recht, daß nach Gestalt und Gelegenheit der Sache wohlgesprochen, doch dergestalt daß den Inquisiten frey stehen soll zu wählen, ob Sie ein jeglicher derselben entweder die gefundenen 50 fl. ad Fiscum erlegen, oder aber eine halbjährige Zucht Hauß-Straffe ausstehen wolle; Im Fall nun Inquisitin die Leibes Stafe Sich wählen sollten, so habt ihr dieserhalb einzuberichten; damit auch die zur Annahme der Inquisiten ins Zucht Hauß erforderliche Ordre an den Königsbergschen Magistrat übermachet werden könne.
Pro Justificatoria ist ein rthlr zu entrichten, deßen Eingang von Euch nebst 5 g Ausfertigungs-Kosten des fordersahmsten zu besorgen ist; demnach habt ihr die Verfügung zu thun, damit hierunter justificirter maaßen verfahren werde. Sind euch mit gnaden gewogen.
Königsberg den 9ten Februarii 1770 vKorff

100 fl. Fiscalische Strafe
17 fl 15g Sportuln des just.Colleg:
4 fl 29 g Hoffger: Sportuln
= 122 fl. 14 g Sum:
+ 16g pro mundo der Urteile
= 123 fl (Gulden)
in der Schweiglerschen Criminal-Sache sind ad Cassam des Königl: Brandenbg. Neuhausischen JustitzCollegio in dato richtig entrichtet worden, worüber gebührend quittiret.
Königsberg 16- Maertz 1770 Wochaetius, Registrator.

In diesem speziellen Fall allerdings waren die Beteiligten (alles sogn. cöllmische Gutsbesitzer, d.h. Freibauern mit vollem Eigentumsrecht) nicht arm und konnten sich Advocaten und Gerichtskosten leisten. Die Tante mußte deswegen nicht ins Zuchthaus, wie man aus der oben quittierten Zahlung rückschließen kann . Man pflegte in Kalkeim und in der Nachbarschaft einen individuelleren Lebensstil und Regina Neumann klagt selbstbewußt und erfolgreich gegen das rigide Vorgehen des Pfarrers. Dieser imponierende Stolz und Eigensinn hatte bereits "Tradition" und zeigt sich schon in Klagen der Pfarrer im 16. + 17.Jh., daß die Kalkeimer Gutsbesitzer zu hoffärtiger, unstandesgemäßer Kleidung neigten. Sie werden des öfteren deswegen mit Kirchenbußen belegt. Man zahlt wohl und amüsiert sich trotzdem wie man will. Man scheute sich auch schon früher nicht, notfalls sein Recht mit teuren Königsberger Advocaten vor den Hofgerichten zu erstreiten. Ich fand div. Acta (1613, 1697), in denen aufwändige Prozesse wegen Grenzstreitigkeiten geführt wurden. Dadurch erschließen sich mir heutzutage sehr lebendig die damaligen Lebensumstände. - Aber das gehört schon in eine andere Geschichte: siehe Grenzstreitigkeiten in einem ostpreussischen Dorf -

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Frauengeschichte(n) 1549

Frauen treten in den früheren Jahrhunderten genealogischer Forschung nur selten oder wenn, dann recht unscheinbar auf. Im 16. und 17. Jahrhundert werden selbst in den Kirchenbüchern die Mütter und Frauen kaum erwähnt. Der Mann läßt taufen und wird mit Namen und Stand eingetragen. Die Ehefrau und Mutter erscheint, wenn überhaupt, nur mit Nennung des Vornamens. Erst ab dem 18. Jahrhundert setzt sich allgemein durch, in den Taufregistern auch die Mutter mit vollem Namen einzutragen. Selbst unter den oft zahlreich eingetragenen Taufpaten verbergen sich Frauen meist hinter dem Namen des jeweiligen Ehemannes (z.B. Peter Müller uxor, Peter Müllersche oder einfach nur Müllerin). So wird es oft schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die weiblichen Linien weiter zurückzuverfolgen, zumal oft die Trauregister der frühen Jahre verloren gegangen sind.


Wenn denn Frauen als Individuen in der frühen Genealogie in Erscheinung treten, so ist das immer als etwas besonderes zu werten. Begünstigt durch Besitz und Vermögen, durch Stand und Ruf des Ehemannes oder der Herkunftsfamilie können Frauen auch selbstbewußt und eigenständig auftreten im Rahmen dessen, was in der jeweiligen Zeit üblich war.

Mein vorerst frühestes, belegtes Beispiel für weiblichen Anteil an (Familien-)Geschichte ist die Witwe des Geschütz- und Glockengießers Heinrich von Schwichell. Heinrich arbeitete unter dem letzten Hochmeister des preußischen Ordenslandes bzw. dem ersten Herzog: Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach. 1542 nahm Heinrich ein Gut von 7 Hufen in den fruchtbaren Pregelniederungen etwa 20 km östlich von Königsberg in Besitz. 1549 muß Heinrichs Witwe Margareta an den Herzog schreiben, weil Verwaltungsbeamte des Herzogs die verbrieften Rechte jenes Besitzes mißachteten:

>>... So will mich nuhmals EFG (Kurzformel für: Euer Fürstliche Gnaden) Hauptman zu Waldaw zu scharrwerk zwingen und dryngen welchs ich formals befreyet und noch Bynn, wie daß die Verschreibung clar anzeigt, auff die ich mich thu Ziehen. Dar Zu auch gnedigster Fürst und Her hat mein ehlicher man und ich einen seh gehabt. Dar Inne vor unserer notturfft gefisschet zu unserm tische. So von wir auch Jar ierlich, vier marck mussen Zynsen. Die selbige fisscherey entzocht uns der Hauptman auch. Dadurch ich denn mit den meynigen merklichen nachteyll zu meyner narung leyde. Darumb gnedigster Fürst und Her Bitte ich arme verlassene Witbfrau EFG mit gantzer Demuth EFG wolten mir armen Frauen und den meynen so gnedig erscheynen und dem Hauptman von Waldaw befelen und gnediglich dahyn weysen daß ich arme Witbfrau mit den meynen uber unser befreyhung erhalten megen werden und darüber zu keynem scharrwerk wider billigkeit gedrungen werden. Da neben auch, bey der fysscherey so wir allezeit bis her, umb den Zinß ierlich gehabt, auff EFG bevell bleyben und erhalten mogen werden.<<

Wenn man mit dem zeitgenössischen Briefstil zwischen Untertan und Herrscher vertraut ist, klingen diese Zeilen außergewöhnlich direkt. Margareta kommt unumwunden zur Sache und macht klar, was sie erreichen will. Sie vergißt nicht zu erwähnen, daß sie das Recht in Form von schriftlichen Urkunden auf ihrer Seite hat. Die Höflichkeits- und Untergebenheitsfloskeln entsprechen nur dem Minimum dessen, was in der Zeit üblich ist.


Die Amtmänner in den jeweiligen Verwaltungsbezirken arbeiten sozusagen auf eigene Rechnung und versuchen, so viel wie möglich an Steuern und Dienstleistungen herauszuwirtschaften. Allerdings sind auch sie an die geltenden Rechte gebunden. Aber, dachte sich wohl der Waldauer Amtmann, bei einer Witwe kann man es ja mal versuchen. Margareta weiß dem wirkungsvoll und selbstbewußt zu begegnen.

Die Herkunft und der Familienname jener Margareta bleibt im Dunkeln. 1515 reist Heinrich von Schwichell nach Kampen in Holland, um von dort seine Frau nach Preußen zu holen, seit er vom preußischen Hochmeister in Dienst auf Lebenszeit genommen wurde. Ob das jene Margareta war, oder ob Heinrich mehrmals heiratete, kann aus den vorhandenen Quellen nicht mehr schlüssig nachgewiesen werden. Kirchenbücher gibt es zu der Zeit in Preußen noch nicht. Kampen war die Heimatstadt von Geert van Wou (1450-1527), dem berühmtesten Glockengießer seiner Zeit. Höchstwahrscheinlich hat Heinrich vor seiner Zeit im Baltikum und Preußen dort gearbeitet und auf diesem Wege in Kampen seine Frau kennengelernt. Vielleicht war Margarete eine Verwandte des Geert van Wou...? Diese Frage wird wohl ein Familiengeheimnis bleiben. Im Gemeentearchief in Kampen ließen sich aus der Zeit und mit diesem Bezug keine Dokumente mehr finden (www.gemeentearchiefkampen.nl/).

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Streitigkeiten in der Stadt Schippenbeil 1718

Hier habe ich nun eine Geschichte entdeckt, in der ein direkter, namensgebender Urahn von mir mitspielt: Andreas HAUPT (*29.11.1668; +18.05.1736), mein Ururururururur-Großvater - oder kurz gesagt: 7Ur. Er war wie sein Vater zunächst Tuchmachermeister in der Stadt, wurde dann Ältermann (Vorsitzender) des Tuchmachergewerks und am 08.10.1711 zum Gerichtsverwandten gewählt (ein Gerichtsverwandter verwendet sich für das Gericht, heute würde man Schöffe sagen). In den Jahren 1709-10 raffte die Pest etwa ein Drittel der damaligen Schippenbeilschen Stadtbevölkerung hinweg. Andreas überlebte und wurde wahrscheinlich auch deshalb auf einen vakant gewordenen Posten gewählt. So kam es, daß er in diese Geschichte verwickelt, daß der nachfolgend wiedergegebene Brief geschrieben wurde und er als letzter auch selbst unterschrieb. Ich fand später noch mehr Dokumente mit seiner Unterschrift.

Ich liebe solche Momente, wo ich eine irgendwie interessant erscheinende Akte angefordert habe und im Lesesaal des Archivs zum ersten Mal aufschlage. Die Momente des ersten Sichtens einer Handschrift, in denen mein Auge plötzlich hängen bleibt an einem bekannten Namen: Moment mal, das heißt doch Haupt - ja, Andreas Haupt, äh... deeer Andreas...!!! Und dann geht´s los: ganz aufgeregt erschließe ich den Text und erfasse die Zusammenhänge und vergewissere mich. Ich muß mich etwas zusammennehmen, um nicht begeistert aufzuschreien - das wäre eine unpassende Reaktion im sonst so stillen Lesesaal, in dem man nur das leise Knistern alten Papiers und gelegentliches Räuspern konzentriert arbeitender Forscher vernimmt.

Mich begeistert es, wenn ich wieder eine Spur gefunden habe, die jene sonst etwas dürren genealogischen Daten von Geburt und Tod mit Leben erfüllt. Ich fühle mich ein bißchen wie ein Kriminologe, der beharrlich nach Spuren sucht, um den Fall zu lösen. Und mein Fall heißt: wie haben meine Vorfahren gelebt, was haben sie gemacht, was hat sie bewegt, was haben sie erlebt?

Im Laufe der Jahre haben meine Recherchen mein Grundgefühl für Zeit verändert. Früher, bevor ich mit meinen Forschungen begann, waren Jahreszahlen wie 1718 oder 1662 -nun ja- ganz schlichte Zahlen, die irgendwie diffus einen Zeitlauf charakterisieren. Heute verbinde ich damit eine präzisere Vorstellung: ich weiß genau einzuordnen, da hat Andreas Haupt gelebt, in etwa ein Zeitgenosse von J.S.Bach, da hat sich dann dieses und jenes abgespielt, einerseits regional in Schippenbeil, andrerseits kann ich die größere Geschichte Preußens und Mitteleuropas zuordnen, finde nun immer auch meinen ganz speziellen persönlichen Bezug in die allgemeine Geschichte. Ich fühle mich irgendwie mehr verbunden, mehr eingebunden in den Lauf der Zeit. Ich kann mich besser verorten, fühle mich mehr zu Hause - egal wo ich mich aufhalte. Und das tut mir gut.

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster Herr
30: Mart:1718 Wie ungern auch Richter und Schöppen der Stadt Schippenbeil Erw. Königl. Majestät in dero andere und hohen Königl. affairen behelligen, so werden Sie dennoch dazu höchst noth drünglich von des dasigen BürgerMeister Georg Wilhelm Reimanns unfreundlichen und gantz unverantwortlichen Verfahren veranlasset; angemercket E. Gericht in aller unterthänigkeit Klagende vorzutragen; waß maßen es sich d. 22. Martii a.c. in facto zugetragen, daß nachdem E. Rath Gericht und die gantze Gemeine des Seel. Bürger-Meisteren Philipp Bartholomaei Wildens Mältzen Bräuer Hauß, welches Schuldens wegen der Stadt zu gefallen, an Greger Walthers hiesigen Bürgers und Kürschners umb und vor 1000 mk Pr. verkauffet, welchen geschloßenen Kauff als Käuffer zu verschreiben und ihm das Dominium zu erlangen Ansuchung gethan, hat der BürgerMeister Reimann solches vor Rath vorzunehmen sich unterstanden. So bald Richter und Schöppen hievon Nachricht erhalten, sind g..? aus ihren Mitlen Nahmentlich Andreas Friedrich Pastinatius, und Andreas Haupt ab deputiret umb den BürgerMeister in aller Hoffligkeit vorzustellen, wie daß der gleichen Sachen Käuffe und Verkäuffe nicht vor des Rath sondern vor Gericht gehörten und ihn bittlich zu ersuchen hierein keine Neürungen zu machen und dem Gerichte fürgriffe zu thun, sondern es bey der alten observance und wie es die Rechte verordnen bewenden laßen.

Kaum aber als der eine Gerichts Verwandte Andreas Fridericus Pastinatius mit der größten Modestie sein Wordt nomine des gantzen Gerichts angebracht, hat mehr besagter BürgerMeister Reimann die beyde Membra E. Gerichts sehr empfindlich angefahren, gar unanständliches mit unhofflichen Worten und Weisung der thüre abgewiesen und als der eine Gerichts Verwandte dagegen opponirete und den BürgerMeister geantwortet, daß er E.(hrwürdiges) Gericht so unhöfflich nicht tractiren solte, hat der BürgerMeister sich noch weiter emportiret und die beyden abgeschickte Membra des Gerichts und folglich E. gantzes Gericht gar indigne tractiret, in dem er ihnen nachgelauffen, und in die ungeziembte Worte ausgebrochen; Kerl halt das Maul und gehe fort wenn hinkünfftig in der gleichen Sachen was passiren wird, soll es E. Gericht nicht mehr haben, ist derauff nach der Stube gelauffen und hat die StubenThür mit größtem Ungestüm hinter sich zugeworffen.

Wann aber allergnädigster König und Herr dergleichen Sachen Käuffe und Verkäuffe auch wie sie ..? haben, nicht nur nach unserem wohl...? LandRecht pag: 35 vor E. Gericht gehören, sondern solches Streit auch bereits ao. 1691 zwischen E. Rath und Gericht durch gewiße Gravamina Sub N13 abgemachet, welche der BürgerMeister als damahliger Richter mit helffen auffsetzen und eigenhändig unterschrieben, so auch nachgehends was der Allergnädigsten Herrschafft Confirmiret und dafern vim Legis erhalten, daß also des BürgerMeister Reimanns unternehmen wieder die offenbahre Verordnung der Rechte in contra propriam Submissionem über dem, des unanständige Verfahren des BürgerMeisters der sich nicht enträthet E. Gericht sogar indigne zu tractiren, in respect. E.Gerichts drenget, und also wohl einer exemplarischen Beahntung meritiret; als haben Richter und Schöppen nicht umbgang nehmen mögen, hierüber Klage zu führen und solches umb so viel mehr, da sie besorgen müßen der BürgerMeister Reimann dörffte es dabey nicht bewenden laßen und E. Gericht nicht nur weiter Einträge thun, sondern wohl gar desgleichen Exesse und Gewalthätigkeiten als er vor einigen Jahren an seinen Collegen dem seeligen StadtSchreiber und ViceBürgerMeister Cramer und dem RathsVerwandten Engelbrecht mit einschlagen der FensterLaden und Fenstern, und deßjeden zu Nachtschlaffender Zeit verübet, undt aus zu üben kein bedenken getragen; solchen Unheil nun in Zeiten [zu]vorzukommen, bitten Richter und Schöppen in Allerunterthänigkeit Ew. Königl. Majestät geruhen allergnädigst dem Landrath und HauptMann von Rastenburg von der Gröben mediante rescripto auffzugeben und zu befehlen, Sie wieder alle Einträge des BürgerMeisters zu schützen und ihn mit gehöriger Weisung auff das Landrecht und die confirmirte gravamina zu verweisen, die angethane Beschimpfung E. Gerichts aber als andern dinge, so wohl dörfften angegeben werden, gründlich zu untersuchen und nach befinden andern zum Exempel den BürgerMeister in öffentliche Abbitte und in eine Nahmhaffte fiscalische Straffe etwa von 200 fl.(Gulden) zu verurtheilen. In welchem billigen und gerechten Gesuch sie sich allergnädister Erhörung getrösten und ersterben
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König Allergnädigster Herr, Ew. Königl. Majestät Allerunterthänigste
Gottfried Stendel p.f. Richter
Christoff Schönwaldt SchöppMst
Johan Friedrich Weißermel, Zacharias Schultz, Samuel Engelbrecht, Christian Ramthun. Andreas Fridrich Pastinatius, Andreas Haupt. [Schöppen und Gerichtsverwandte]

Anmerkungen zum Beschuldigten:
George Wilhelm Reimann, geboren im Juli 1658 in Schippenbeil, des Richters Reimann Sohn, "des bekannten Preußischen Redners und gekrönten Poeten, auch Professor Eloquentiae George Reimanns Urenkel", studierte Jura, kehrte in seine Heimatstadt zurück, wurde 1689 an seines Vaters Stelle Richter, 1703 Bürgermeister. Er starb um 1718 [und hat demnach diesen nervenaufreibenden Kompetenzstreit nicht lang überlebt].

Anmerkungen zu anderen im Brief genannten:
Stadtschreiber u. Vice-Bürgermeister [Christian] Cramer, aus Friedland gebürtig, 1686 zum Stadtschreiber nach Schippenbeil berufen, 1703 Vicebürgermeister, 1711 Richter. Starb am 3.11.1714 in Schippenbeil.

Rathsverwandter Engelbrecht: kann ohne Vornamennennung nicht zweifelsfrei eingeordnet werden, weil so viele aus dieser Familie Ratsfunktionen inne hatten. Evtl. ist der unterzeichnende Samuel Engelbrecht gemeint.

Anmerkungen zu den Unterzeichnenden:
Gottfried Stendel (1672-1737) war ein erfolgreicher Apotheker, der es verstand außergewöhnlich wirksame Medizin herzustellen, ab 1711 Ratsherr, 1715 Richter in Schippenbeil. Er hatte keine Familie und vererbte seine Apotheke an das Waisenkind Heinrich Hagen (1709-1772) , dessen Eltern 1709 an der Pest in Schippenbeil starben. Heinrich Hagen war sein Neffe und wurde später ein berühmter Apotheker und Chemiker in Königsberg.

Christoph Schönwaldt, am 30.Sept. 1703 Gerichtsverwandter, danach Schöppmeister [Schöpp = Schöffen...]

Johann Friedrich Weißermel, am 30. Sept. 1703 Gerichtsverwandter, danach Schöppmeister

Zacharias Schultz wurde am gleichen Tag 1703 Gerichtsverwandter, starb im Dez. 1719 in Schippenbeil

Samuel Engelbrecht wurde am 8. Okt. 1711 Gerichtsverwandter, starb im Juli 1731 in Schippenbeil

Christian Ramthun, wurde ebenfalls am 8. Okt. 1711 Gerichtsverwandter, später Stadtcämmerer

Andreas Friedrich Pastinatius, am 8. Okt. 1711 zum Gerichtsverwandten erwählt, Musicus Instrumentalis, starb im November 1718 in Schippenbeil.

Andreas Haupt (1668-1736), am 8. Okt. 1711 zum Gerichtsverwandten erwählt, hauptberuflich Tuchmachermeister, Ältermann des Tuchmachergewerks in Schippenbeil

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